Digitalgesetz

Mehr Möglichkeiten für Videosprechstunden

Mit dem dritten Digitalgesetz in etwas mehr als einem Jahr möchte der Gesetzgeber telemedizinische Behandlungsformen weiter ausbauen und unter anderem mehr Leistungserbringer an die Telematik-Infrastruktur anschließen. Außerdem sollen nach den Digitalen Gesundheitsanwendungen auch Pflege-Apps Einzug in die Versorgung halten.

Illustration: Arzt-Video-Sprechstunde

Ein wichtiger Bestandteil des Referentenentwurfs zum Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) ist die Erweiterung der Videobehandlung in verschiedenen Leistungsbereichen. Im vertragsärztlichen Bereich sind Videosprechstunden längst angekommen. So hatten die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereits im letzten Jahr die Anwendungsbereiche für Videokontakte erheblich ausgeweitet. Zusätzlich erhalten Arztpraxen, die regelmäßig solche Sprechstunden anbieten, seit Oktober 2019 eine zusätzliche Anschubfinanzierung. Diese Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, dass die ambulante Versorgung in Deutschland während der Corona-Pandemie auf einem hohen Niveau gehalten werden konnte. Nach Zahlen der KBV wurden allein bis zum 30. Juni 2020 fast 1,25 Millionen Videosprechstunden durchgeführt. Mit dem DVPMG wird die gemeinsame Selbstverwaltung nun beauftragt, weitere geeignete Anwendungsmöglichkeiten zu prüfen, zum Beispiel im Rahmen der Versorgung zu sprechstundenfreien Zeiten. Außerdem sollen die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die Versicherten bei der Suche nach Ärzten unterstützen, die diesen Service anbieten

Auch im Heilmittelbereich und bei der Hebammenversorgung waren während der Pandemie Ausnahmeregelungen geschaffen worden, die eine Videobehandlung ermöglichen. Der Referentenentwurf sieht an dieser Stelle nun dauerhafte Regelungen vor. Hier gilt aus Sicht der Ersatzkassen das Gleiche wie im ärztlichen Bereich: Überall dort, wo es medizinisch und therapeutisch sinnvoll ist, soll diese Alternative zum persönlichen Kontakt ermöglicht werden. Der gewohnte Besuch beim Arzt, beim Physiotherapeuten oder durch die Hebamme wird daneben auch weiterhin möglich und in vielen Fällen sinnvoll sein.

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz haben Versicherte Anspruch auf Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zur Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten. Bisher wurden fünf DiGA in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen, weitere dürften kurzfristig folgen. Der Referentenentwurf des DVPMG nimmt an einzelnen Stellen Anpassungen oder Erweiterungen vor, beispielsweise im Zusammenspiel mit Leistungen von Heilmittelerbringern und Hebammen, aber auch durch Übermittlung von Daten aus Hilfsmitteln oder Implantaten. Ein wichtiger Kostenfaktor bleibt jedoch bisher unangetastet: Die Möglichkeit des Herstellers, im ersten Jahr nach Zulassung den Preis eigenständig festzulegen. Hier muss der Gesetzgeber dringend reagieren und einen zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller verhandelten Preis vom ersten Tag an als maßgeblich festsetzen.

Neue Anwendungen in der Pflege

Genau dieser Weg würde übrigens bei den sogenannten DiPA beschritten, den Digitalen Pflegeanwendungen. Auf Antrag bei der Pflegekasse können zukünftig spezielle digitale Produkte, die bei der Pflege unterstützen, genutzt werden. Im Zusammenhang mit der Anwendung anfallende pflegerische Unterstützungsleistungen werden im Umfang von bis zu 60 Euro monatlich von der Pflegekasse übernommen. Die Prüfung der DiPA erfolgt dabei auf vergleichbarem Wege wie bei DiGA: Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und bei Nachweis der Wirksamkeit Aufnahme in ein entsprechendes Verzeichnis. Ein wichtiger Unterschied: Der zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband verhandelte Preis gilt bereits ab Aufnahme in das Verzeichnis. Dadurch besteht Hoffnung, dass in diesem Bereich von Beginn an ein gesundes Kosten-Nutzen-Verhältnis vorherrschen wird. Denn eines ist klar: Wenn gute Anwendungen Pflegebedürftige und Pflegende unterstützen und Menschen dazu verhelfen, länger selbständig zu bleiben, ist ein wichtiges Ziel erreicht.

Die Telematik-Infrastruktur (TI) soll sich immer mehr zur Datenautobahn des Gesundheitswesens entwickelt: Daher sieht das DVPMG auch die Anbindung von Heil- und Hilfsmittelleistungserbringern und von Erbringern von Soziotherapie vor. Daneben werden die Leistungsbereiche, für die elektronische Verordnungen – oder kurz e-Rezepte – ausgestellt werden, erweitert werden: Betäubungsmittel (ab 2023), häusliche Krankenpflege (ab Mitte 2024), Soziotherapie (ab Mitte 2025) sowie Heil- und Hilfsmittel (ab Mitte 2026). Angesichts der bisherigen Erfahrungen und der umfangreichen Verhandlungen und Vorarbeiten im Vorfeld sind diese Zeitvorgaben durchaus ambitioniert. Außerdem sollten auch weiterhin nur solche Berufsgruppen an die TI angeschlossen werden, bei denen dadurch ein echter Mehrwert in der Patientenversorgung entsteht. Bei den vorgesehenen zahntechnischen Laboren ist dies jedoch nicht der Fall. Da es hier lediglich um eine elektronische Kommunikationsmöglichkeit mit Vertragszahnärzten geht, sollten hier einfachere und preisgünstigere Alternativen genutzt werden.

Ebenfalls kritisch beurteilen die Ersatzkassen die zunehmende Anhäufung von Aufgaben und Kompetenzen bei der gematik. An vielen Stellen können einheitliche Lösungen sicherlich sinnvoll oder sogar zwingend sein. Dennoch haben Krankenkassen in der Vergangenheit gute digitale Lösungen geschaffen, die sich schließlich bewährt haben. Dieser Weg wird durch rein zentrale Vorgaben verbaut, wie etwa beim Zugriff auf TI-Anwendungen über alternative, insbesondere stationäre Endgeräte.

Insgesamt soll das DVPMG nach dem Willen des Gesetzgebers einen weiteren Digitalisierungsschub auslösen. Dieses Ziel unterstützen die Ersatzkassen. Gleichzeitig muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich Regelungen und Vorgaben aus früheren Gesetzen häufig erst in der Umsetzungsphase befinden. Hier kann eine Entschleunigung helfen, damit die anstehenden Aufgaben mit der erforderlichen Qualität erfüllt werden können. Darüber hinaus müssen auch Digitalisierungsvorhaben gerade angesichts der auf absehbaren Zeit schwierigen Finanzlage in der GKV einer positiven Kosten-Nutzen-Bewertung standhalten.

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