Self Tracking Report 2022

Drei Fragen an Prof. Dr. Sylvia Thun und Dr. Alexander Schachinger

Der erste Self Tracking Report 2022 zeigt, dass die deutsche Bevölkerung ihre Gesundheitsdaten für bessere Medizin und Prävention freigeben möchte. Bevorzugtes Messinstrument ist für sie das Smartphone. In ersatzkasse magazin. erläutern Prof. Dr. Sylvia Thun, Expertin für Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen und Projektpartnerin des Self Tracking Reports, sowie Dr. Alexander Schachinger, Studienleiter des Reports (EPatient Analytics GmbH), welche Perspektiven sich aus diesen Ergebnissen für das Gesundheitswesen eröffnen.

Portrait: Prof. Dr. Sylvia Thun und Dr. Alexander Schachinger

Eine große Mehrheit der Befragten des Self Tracking Reports vermisst ihre Gesundheit selbst und steht auch einer sinnvollen Anwendung ihrer Gesundheitsdaten aus dem Smartphone positiv gegenüber. Inwiefern ist das ein starkes Signal an die Politik und die gesetzlichen Krankenkassen?

Bis zur Vorlage dieser Ergebnisse herrschte innerhalb der Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung ein uneinheitliches Bild von der Offenheit für digitale Gesundheitsangebote in der Bevölkerung. Deutschland ist in der Praxis der Anwendung digitaler Gesundheitsdaten für Prävention und Forschung um Jahre bis Jahrzehnte zurück im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Das hat ökonomisch und auch ethisch einen zunehmend kritisch hohen Preis. Mit diesen Ergebnissen kann und muss sowohl die Debatte als auch der regulative Rahmen anders gestaltet werden. Ausreden auf Basis falscher Wirklichkeitsbilder sind nicht mehr möglich. Mehrere Studien haben eindrucksvoll gezeigt, dass die mündigen Bürgerinnen und Bürger ihre Gesundheit mit digitalen Helfern selber gestalten möchten und bereit sind, die Daten zu teilen.

Wie kann der Datenschutz bei selbst erhobenen Gesundheitsdaten, die Versicherte freiwillig zur Verfügung stellen, gewährleistet werden?

Unabhängige Daten-Trust-Center und klare gesetzliche Vorgaben sind die Voraussetzung jeglicher Datenverarbeitung. Es werden valide und praxiserprobte Lösungen aus anderen Industrien verwendet, die auf internationalen Standards beruhen. Im Bereich des maschinellen Lernens gestatten beispielsweise Federated-Learning-Technologien die Zusammenarbeit, auch ohne dass Daten das Krankenhaus verlassen. Zudem wird stark unterschieden zwischen anonymisierten Daten, pseudonymisierten Daten und solchen mit Klarnamen. Alle Technologien enthalten moderne Verschlüsselungsmechanismen.

Drei von vier Bürgerinnen und Bürgern wünschen sich zudem auf Basis ihrer individuellen Vitalwerte für sie zugeschnittene Präventionsangebote von ihrer Krankenkasse. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Qualität solcher Angebote sicherzustellen?

Die Qualität der Datenerhebung und der -übermittlung ist erfolgskritisch für die Nutzung der Daten und der Algorithmen. Hier setzt Deutschland auf international anerkannte technologische Standards, die auch von Firmen eingesetzt werden. Die bisherigen Prüfprozesse und -institutionen sind bereits für Abrechnungsprozesse brauchbar. Es bedarf jedoch erweiterter Kriterien bezüglich der Verarbeitung und Anwendung der individuellen Messdaten und weiterer Gesundheitsdaten. Weiterhin ist die Studienlage, also die evaluierte positive Wirkung, ein weiteres entscheidendes Kriterium für den Einsatz digitaler Technologien.

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