Einwurf

Stabilisierung der GKV-Finanzen: Staat muss seine Hausaufgaben machen

Monatelang dauerte das politische Gerangel um einen Gesetzentwurf zur Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) an. Schlag auf Schlag kamen schließlich Ende Juni 2022 zunächst der Referentenentwurf und anschließend mit nur wenigen Änderungen der Kabinettsentwurf, der dann am 27. Juli 2022 im Kabinett verabschiedet wurde. Das Ergebnis ist mehr als enttäuschend. Statt die Ursachen für die Finanzierungslücke in Höhe von geschätzt 17 Milliarden Euro in 2023 zu beseitigen und die Belastungen fair auf mehrere Schultern zu verteilen, sollen nun vor allem die Beitragszahler der GKV zur Kasse gebeten werden. Die Liste ist lang: 4,8 Milliarden Euro durch Beitragssatzerhöhungen von durchschnittlich 0,3 Prozentpunkten, vier Milliarden durch das fast vollständige Abschmelzen von Rücklagen der Krankenkassen, 2,4 Milliarden durch den Abbau der Liquiditätsreserve im Gesundheitsfonds auf Höhe der Mindestreserve. Hinzu kommt noch einmal eine Milliarde Euro, die der Bund den Krankenkassen als Darlehen zur Verfügung stellen will, welches aber bis 2026 von den Krankenkassen zurückgezahlt werden muss.

Fakt ist: Die Schieflage in der GKV wäre nicht da, wenn die Politik ihre Hausaufgaben gemacht hätte. Und dazu gehört erstens: die Festlegung aus dem Koalitionsvertrag, endlich eine auskömmliche Finanzierung für die Hartz-IV-Empfänger zu ermöglichen. Das macht allein zehn Milliarden Euro jährlich aus. Zweitens: die dringend erforderliche Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel politisch umzusetzen, die in fast allen europäischen Ländern – mit Ausnahme von Bulgarien und Dänemark – seit vielen Jahren völlig selbstverständlich ist. Und drittens: wieder mehr Gewicht auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu legen. Die Anteile, die die Leistungserbringer zur finanziellen Stabilität beisteuern sollen, fallen mit 2,5 bis drei Milliarden Euro eher gering aus, und das, obwohl diese zum Teil von massiven Vergütungssteigerungen in den Vorjahren profitiert haben. Es ist nicht erklärbar, warum in einer so kritischen wirtschaftlichen Gesamtsituation lediglich die Vergütungssteigerungen in der zahnärztlichen Versorgung gedeckelt werden.

Portraitbild vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner

Nach dem Kabinettsbeschluss ist nun das Parlament gefordert, die dringend notwendigen Korrekturen an dem Gesetz vorzunehmen. Es geht um eine nachhaltige Finanzierung auch über 2023 hinaus. Viele der Koalitionsversprechen wie strukturelle Reformen im ambulant-stationären Bereich sind nur mit einer stabilen Finanzbasis der GKV umzusetzen.

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek

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