Kinderheilkunde und Geburtshilfe

Mehr Geld soll es richten

Unstrittig ist, dass wir zu wenige Kinder in diesem Land haben. Nach Jahrzehnten des Wohlstands glaubt man, jedes Problem mit Geld lösen zu können; so auch dieses. Die Regierungskommission zur Krankenhausreform empfiehlt, kurzfristig der Kinderheilkunde und Geburtshilfe mehr Geld zur Verfügung zu stellen – ohne dabei die Versorgungsqualität im Blick zu haben.

Säugling im Inkubator

Der Koalitionsvertrag kündigt eine kurzfristige, bedarfsgerechte und auskömmliche Finanzierung für Pädiatrie und Geburtshilfe an. Die Regierungskommission hat dieses Ziel aufgegriffen und in eine Empfehlung übersetzt, wie diesen Fächern kurzfristig zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können. Die Empfehlungen teilen sich in zwei Reformschritte.

In einem ersten, kurzfristigen Reformschritt werden für die Pädiatrie vier alternative Modelle vorgeschlagen:

  • Modell A: Anhebung der Erlössumme („Gießkanne“)
  • Modell B: Verteilung zusätzlicher Finanzmittel nach „betreibbaren Betten“
  • Modell C: Verteilung zusätzlicher Finanzmittel nach versorgter Bevölkerung
  • Modell D: Mischung aus Modell B und Modell C

Die Unterstützung für die Geburtshilfe soll sich vorrangig an Kliniken richten, die als bedarfsnotwendig eingestuft werden.

In einem zweiten, mittelfristigen Reformschritt soll die leistungsabhängige Vergütung für Pädiatrie und Geburtshilfe abgesenkt werden. Die frei werdenden Mittel können dann nach Aspekten der Vorhalteleistung und/oder der zu versorgenden Bevölkerung verteilt werden. Viele Akteure befürworten das Modell C, und dies nicht nur für die Pädiatrie, sondern gerade auch für die Geburtshilfe.

Kinderheilkunde aus dem DRG-System?

Mit der DRG-Einführung wurde der Übergang von der Kostenerstattung hin zu einem Preissystem möglich. Die Kommerzialisierung der Krankenhausversorgung nahm ihren Lauf. Das Leistungsangebot wurde nach monetären Interessen der Krankenhausträger ausgerichtet. Die Länder sahen dieser Entwicklung zu und nutzten die Chance, die Investitionsförderung stetig zu verringern. Der Druck auf Einsparungen im Bereich beitragsfinanzierter Betriebskosten nahm zu und die Krankenhausträger sparten insbesondere beim Pflegepersonal. In der Folge wurden nicht die Investitionsmittel der Länder erhöht; stattdessen wurde ein selbstkostenfinanzierendes Pflegebudget geschaffen. Wenngleich sich die Zahl der verfügbaren Pflegekräfte nicht nennenswert erhöht hat, führt die buchhalterische Kreativität zu zweistelligen Ausgabensteigerungen, die von den Beitragszahlern finanziert werden müssen. Diesem zweifelhaften Erfolgsmodell folgend schlägt nun der Gesundheitsminister vor, die Kinderheilkunde aus dem DRG-System herauszunehmen.

Das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Vergütungssystemen führt jedoch zu Verschiebebahnhöfen, die eine Doppelfinanzierung auslösen und an der Versorgungsqualität nichts ändern. Mehr Geld für nichts, könnte man meinen: Die wenigen Kinder in diesem Land werden nicht mehr, noch geht es ihnen dadurch im Krankheitsfall besser. Aber in der Öffentlichkeit lässt sich diese zweifelhafte Wohltat nur zu gut vermarkten.

Strukturdefizite bleiben unangetastet

In der Fachwelt ist unbestritten, dass die Fachabteilungen Geburtshilfe und Kinderheilkunde zusammengehören. Nicht einmal die Hälfte der geburtshilflichen Abteilungen verfügt über diesen Strukturvorteil. Ebenso gilt als gesichert, dass konzentrierte Versorgungsstrukturen, die mit entsprechend großer Erfahrung einhergehen, im Ergebnis zu weniger Kaiserschnitten, einer geringeren Müttersterblichkeit und einer geringeren Neugeborenensterblichkeit führen. Während in Finnland eine Mindestmenge von 1.000 Geburten je Einrichtung zugrunde gelegt wird, ist es hierzulande nicht einmal eine Mindestmenge von 600 Geburten.

Schaut man sich die Versorgungssituation an, sieht man in diversen Regionen und häufig entlang von Landesgrenzen geburtshilfliche Abteilungen mit weniger als 500 Geburten im Jahr in unmittelbarer Nähe zu anderen Abteilungen (s. Abb.).

Krankenhausstandorte: Anzahl der Geburten und Bedarfsnotwendigkeit in 2021

Eine Konzentration der geburtshilflichen Leistungsstrukturen könnte in vielfacher Hinsicht Leben retten. Stattdessen versucht man, Geld mit der Gießkanne zu verteilen.

Ein auf die Kinderheilkunde und Geburtshilfe ausgerichteter Krankenhausstrukturfonds, der die Konzentration der Versorgung und damit die Verbesserung der Versorgungsqualität zur Folge hat, ist längst überfällig. Hierfür braucht es Ehrlichkeit, Mut und Entschlossenheit. Nur so kann den Kindern und Müttern, wenn sie stationäre Hilfe benötigen, geholfen werden.

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