Sie sind erschöpft, haben Schmerzen und fühlen sich einsam: Die Häufigkeit von (psycho-)somatischen Beschwerden und psychischen Auffälligkeiten bei Heranwachsenden gibt Anlass zur Sorge. Der Präventionsradar – eine schulbasierte Fragebogenstudie der DAK-Gesundheit – zeigt eine hohe Prävalenz von Einsamkeitserfahrungen bei bestimmten Untergruppen.
Etwa ein Drittel der älteren Schulkinder in Deutschland im Alter von 10 bis 17 Jahren (31,5 Prozent) kennt das Gefühl erhöhter Einsamkeit. Die Betroffenen fühlen sich allein und ausgeschlossen und es mangelt ihnen an Freundschaften. Etwa 8 Prozent sind nach eigenen Angaben oft einsam. Mit 19 Prozent sind Jungen und Mädchen aus Familien mit niedrigem Sozialstatus besonders häufig betroffen. „Dieses Ergebnis ist alarmierend, denn chronische Einsamkeit stellt ein Risiko für die mentale Gesundheit der Mädchen und Jungen dar“, betont DAK-Vorstandschef Andreas Storm: „Wir müssen verhindern, dass eine Generation mit Gesundheitsproblemen und seelischen Leiden heranwächst.“
Einsamkeit ist kein Phänomen des Alters
Der Präventionsradar der DAK-Gesundheit untersucht seit 2016 das körperliche und psychische Wohlbefinden sowie das Gesundheitsverhalten von Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 bis 10. Für die 8. Erhebungswelle hat das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) im Schuljahr 2023/2024 rund 23.000 Schulkinder in 14 Bundesländern befragt. Demnach sind mehr als die Hälfte der Jungen und Mädchen erschöpft (55 Prozent). Mehr als ein Drittel berichten von Schlafproblemen (37 Prozent). 27 Prozent geben an, jede Woche oder häufiger Rückenschmerzen zu erleben. Ebenso viele berichten von häufigen Kopfschmerzen und ein Fünftel klagt über Bauchweh. „Die Entwicklungen sind besorgniserregend – sowohl was die Zunahme körperlicher Beschwerden angeht als auch den alarmierend hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen, die von Einsamkeit betroffen sind. Einsamkeit ist kein Phänomen des Alters, sondern betrifft auch die junge Generation. Es ist dringend erforderlich, dass Information und Aufklärung in diesem Bereich intensiviert werden“, erklärt Prof. Dr. Reiner Hanewinkel, Studienleiter beim IFT-Nord in Kiel.
Multiple Beschwerden nehmen zu
Auffällig ist laut Studie, dass fast die Hälfte der Schulkinder von mindestens zwei wöchentlich auftretenden Gesundheitsproblemen betroffen ist. Im Vergleich zur zweiten Erhebungswelle 2017/2018 haben diese sogenannten multiplen Beschwerden deutlich zugenommen. Vor 6 Jahren lag der Anteil der betroffenen Schulkinder bei 36 Prozent, aktuell liegt er bei 46 Prozent, also etwa ein Viertel darüber. Bei den Mädchen ist der Anteil noch stärker gestiegen, nämlich um rund ein Drittel.
Krisenängste sind verbreitet
Drei Viertel der Schulkinder sind von Krisenängsten betroffen. Sie befürchten, dass etwa der Ukraine-Krieg oder die Klimakrise noch lange anhalten oder dass sich die finanzielle Situation ihrer Familie verschlechtern wird. 6 Prozent geben sogar an, solche Krisenängste „oft“ zu haben. Wie bei der Einsamkeit sind auch hier Jungen und Mädchen mit einem sozial schwachen Familienhintergrund stärker betroffen. Die Studie zeigt, senbezogene Ängste erleben, auch häufiger depressive Symptome auftreten. Dazu gehört es etwa, sich unglücklich oder niedergeschlagen zu fühlen oder häufiger weinen zu müssen.
Nicht alle Schulkinder sind in gleichem Maße von ungünstigen gesundheitlichen Entwicklungen betroffen. Es kommt darauf an, die weitere Entwicklung des Gesundheitsverhaltens der Kinder und Jugendlichen im Blick zu behalten. Die Daten des Präventionsradars liefern hierzu die nötigen Informationen. Eine fortlaufende Bestandsaufnahme der Situation ist eine wichtige Grundlage, um präventive und intervenierende Maßnahmen insbesondere auf diejenigen auszurichten, die am stärksten darauf angewiesen oder besonders gefährdet sind.
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