Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz

Gesundheitsversorgung effizienter vernetzen

In der digitalen Transformation des Gesundheitswesens fehlt es aus Sicht der Bundesregierung an stringenten Entscheidungsstrukturen für eine nutzerorientierte Digitalisierung. Der Kabinettsentwurf zur Schaffung einer Digitalagentur für Gesundheit (Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz – GDAG) vom 17. Juli 2024 sieht vor, die Digitalisierungsprozesse effektiver zu steuern und die Telematikinfrastruktur (TI) nutzerfreundlicher aufzustellen.

Illustration: Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz

Die im Gesetz geplante Digitalagentur für Gesundheit, die aus der bestehenden Gesellschaft für Telematik (gematik GmbH) hervorgehen soll, ist dabei auch Teil der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung, die eine verbesserte, menschenzentrierte und effizientere Ausgestaltung der Versorgung im Fokus hat.

Mit dem GDAG sollen die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Digitalagentur für die Gesamtprozesse bei der Entwicklung der Digitalprodukte deutlich ausgebaut werden. Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Digitalagentur für Gesundheit zu stärken – und hierdurch für eine künftig effektivere Steuerung und zügige Weiterentwicklung der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu sorgen.

Flankiert wird das neue Steuerungsmodell durch eine Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), der Digitalagentur per Verordnung flexibel weitere Aufgaben und Kompetenzen übertragen zu können. An der Governance der gematik soll sich hingegen nichts ändern. Grundsätzlich unterstützt der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) die Bemühungen, die ein zuverlässiges Funktionieren der Digitalstruktur sicherstellen sollen. An einzelnen Maßnahmen besteht aber auch Kritik, unter anderem an der Ermächtigung des BMG, der Digitalagentur für Gesundheit weitere Aufgaben per Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu übertragen. Denn Aufgaben, die den Aufbau, den Betrieb, die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und die informationstechnische Sicherheit sowie die Weiterentwicklung der TI betreffen, sollten im Einvernehmen mit den Gesellschaftern erfolgen.

Hohe Sicherheitsmaßstäbe sind essenziell

Was die TI und ihre Anwendungen anbelangt, so ist der stärkere Fokus auf den stabilen Betrieb der TI positiv zu werten. Dies wird beispielsweise durch Auflagen zur erforderlichen Erprobung im Zusammenhang mit der Zulassung gewährleistet. Zudem begrüßt der vdek die hoheitliche Aufgabe der Digitalagentur, Anforderungen zur Abwehr von Gefahren für die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der TI an Hersteller und Anbieter zu stellen. Somit darf die Digitalagentur sowohl die Hersteller von Systemen zur Beseitigung von Gefahren und Störungen auffordern als auch selbst tätig werden. Um die notwendigen Anforderungen für den TI-Betrieb zum Schutz der Nutzenden und der Betriebsstabilität besser durchsetzen zu können, werden zudem neue Bußgeldtatbestände geschaffen. Auch die Erstellung einer jährlichen TI-Roadmap, die erstmals 2025 vorgelegt werden soll, ist eine sinnvolle Maßnahme des GDAG. Als umfassende Planungsübersicht soll sie Aufschluss über die einzelnen Umsetzungsschritte, die langfristige Fortentwicklung der TI und den Zeitverlauf geben. Aus Sicht des vdek sollte dies allerdings in enger Abstimmung mit den relevanten Stakeholdern und Betroffenen erfolgen, um realistische Umsetzungszeiträume festzulegen. Kritisch an dieser Stelle bleibt,dass durch Mehrheitsentscheid in der Gesellschafterversammlung dem BMG die absolute Entscheidungshoheit eingeräumt wird.

Expertise der Krankenkassen einbinden

Was die Entwicklung und Bereitstellung von Komponenten und Diensten der TI betrifft, soll die Digitalagentur künftig – im Rahmen eines differenzierten Marktmodells – unterschiedliche Rollen einnehmen können: Dies bedeutet unter anderem, dass sie zukünftig nicht nur Betriebsleistungen für die zentrale Infrastruktur, sondern auch die Entwicklung beziehungsweise den Betrieb von Komponenten und Diensten der Telematikinfrastruktur sowie von ausgewählten Anwendungen ausschreiben und den Nutzenden der Telematikinfrastruktur zur Verfügung stellen kann. Dies zielt durch vertragliche Steuerungsmöglichkeiten auf die Verbesserung von Qualität, Wirtschaftlichkeit und die zeitgerechte Bereitstellung der Produkte sowie ein insgesamt stabileres Gesamtsystem ab. Doch hinsichtlich der Verantwortlichkeiten besteht hier Kritik und Nachbesserungsbedarf: Die Entwicklung und das Betreiben von digitalen, insbesondere versichertennahen Anwendungen sollte nicht durch die Digitalagentur für Gesundheit erfolgen, sondern den Krankenkassen und deren beauftragten Dienstleistern obliegen. Warum? Es besteht die Gefahr von wettbewerblichen Nachteilen sowie der Behinderung von Innovation im Wettstreit um die beste Lösung. Die Erfahrungen und Schwierigkeiten mit der von der gematik entwickelten E-Rezept-App stützen diese Forderung. Die gleichzeitige Rolle der Digitalagentur für Gesundheit als Aufsichtsbehörde und Marktteilnehmerin widerspricht den Prinzipien guter Governance.

Eine stärkere Einbindung der Krankenkassen ist an vielen Stellen des GDAG notwendig, vor allem, wenn es um versichertennahe Anwendungen geht. So soll es bislang alleinig der Digitalagentur obliegen, Standards der Benutzerfreundlichkeit der Komponenten, Dienste und Anwendungen der TI festzulegen und ihre Einhaltung sicherzustellen, um bestehende Hürden bei der Nutzung im Markt zu beseitigen. Grundsätzlich begrüßt der vdek, dass die Nutzerfreundlichkeit beispielsweise von Praxisverwaltungssystemen im Hinblick auf die elektronische Patientenakte (ePA) durch verbindliche Vorgaben mehr in den Fokus gerückt werden soll. Es ist von zentraler Bedeutung für die Akzeptanz aller Beteiligter, dass digitale Prozesse gut funktionieren und Abläufe spürbar vereinfacht werden. Aber bei Vorgaben für versichertennahe Anwendungen der Krankenkassen, die durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bereitgestellt werden, gilt es, die Krankenkassen stets an der Ausgestaltung zu beteiligen. Wettbewerbsrelevante Kassenangebote können nicht in die Regelungshoheit der Digitalagentur für Gesundheit übertragen werden.

Die Digitalagentur für Gesundheit soll zudem die Institutionen der Selbstverwaltung bei der Digitalisierung von Versorgungsprozessen im Gesundheitswesen und der Pflege engagiert unterstützen. Auch hier muss sichergestellt werden, dass die Expertise der Krankenkassen und ihrer Gesellschafter einbezogen wird. Das bei der Digitalagentur angesiedelte Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) erhält weitere Aufgaben zur Sicherstellung der Interoperabilität der Anwendungen. Hierunter fallen auch die Praxisverwaltungssysteme (PVS). Die verpflichtende Durchsetzung der Interoperabilität bei Herstellern informationstechnischer Systeme ist zu begrüßen, denn Ziel ist es, damit die Anwendungen in der Versorgung zu verbessern.

Teures Gesetz zulasten der GKV

Insgesamt ist angesichts der geplanten Aufgabenerweiterungen und des Ausbaus der gematik zu einer Digitalagentur für Gesundheit zu erwarten, dass der Mittelbedarf deutlich wachsen wird. Dies geht zulasten der GKV, da die gematik sich fast ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen der GKV finanziert.

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