Gesetzentwurf der Ex-Ampel

Notfallversorgung reformieren

Überfüllte Notaufnahmen, gestresstes Klinikpersonal – so oder so ähnlich ist es seit Jahren in vielen Veröffentlichungen zu lesen. Der neuen Bundesregierung war die Reform der Notfallversorgung im Koalitionsvertrag nur einen Satz wert. Dabei liegt der Gesetzentwurf der Ex-Ampel noch in den Schubladen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und wäre schnell zu beschließen. Ein Überblick.

Die Geschichte der Reform der Notfallversorgung ist eine lange. Schon 2016 stellten die Ersatzkassen Ideen für die Reform der Notfallversorgung in einem Gutachten vor, es folgte ein Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (jetzt Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege) im Jahr 2018. Mitte 2018 veröffentlichte das BMG erste Ideen beziehungsweise 2019 erste Eckpunkte zur Reform der Notfallversorgung. Ein erster Reformversuch scheiterte, der letzte aus 2024 ebenfalls. In den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung schaffte es die Reform der Notfallversorgung mit nur einem kurzen Satz, jedoch liegt der Entwurf der ehemaligen Ampelregierung aus 2024 noch in den Schubladen des BMG und könnte durchaus zügig beschlossen und umgesetzt werden.

„Patienten mit Bagatellerkrankungen verstopfen die Notaufnahmen, der Rettungswagen wird bei Nichtigkeiten gerufen, jeder sieht sich als Notfall, Ärzte und Pflegepersonal arbeiten am Limit – der Status quo der Notfallversorgung in Deutschland.“ Dieser Satz aus einem Artikel im ersatzkasse magazin. ist inzwischen fünf Jahre alt und hat nichts an Gültigkeit verloren. Obwohl in den letzten Jahren ohne gesetzliche Verpflichtung positive Entwicklungen angestoßen wurden, ist die Steuerung der Patienten in die für sie richtige Versorgungsebene nach wie vor problematisch. Zu diesen positiven Entwicklungen gehören unter anderem die Errichtung von Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern sowie verschiedenste Projekte, die die Steuerung von Hilfesuchenden erproben, sei es vor Ort oder bereits am Telefon. Nach Angaben der Verantwortlichen sind die Projekte durchweg positiv zu bewerten. Es fehlen nur noch gesetzliche Vorgaben, um die Thematik bundesweit und damit einheitlich anzugehen.

Integrierte Notfallzentren

Der aktuell vorliegende Gesetzesentwurf sieht nach wie vor den Aufbau von Integrierten Notfallzentren (INZ) vor, die durch spezielle Integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendliche ergänzt werden, sofern die Voraussetzungen passen, sowie den Aufbau von Akutleitstellen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Zudem soll ein Gesundheitsleitsystem ergänzt werden, das die Vernetzung von Akutleitstellen und Rettungsleitstellen unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtend vorsieht.

INZ werden an Krankenhäusern aufgebaut, die vom erweiterten Landesausschuss nach bestimmten Kriterien festgelegt werden. Im Vorfeld der Festlegung müssen allerdings Planungsregionen beschlossen werden, für die die Kriterien geprüft werden. Grundsätzlich müssen die Krankenhäuser die Voraussetzungen der Notfallstufe Basisnotfallversorgung gemäß der „Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System der Notfallversorgung in Krankenhäusern gemäß § 136c Absatz 4 SGB V“ erfüllen. Im Weiteren werden dann unter anderem Kriterien wie die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug (innerhalb von 30 Minuten), Anzahl der zu versorgenden Menschen in der Planungsregion, Erreichbarkeit mit dem ÖPNV sowie weitere Versorgungsgesichtspunkte berücksichtigt.

Sind die Krankenhausstandorte festgelegt, müssen die KVen und die Krankenhausträger innerhalb von sechs Monaten eine Kooperationsvereinbarung abschließen. Das INZ besteht aus der Notaufnahme, der Notdienstpraxis der KVen – in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Notaufnahme – und der zentralen Ersteinschätzungsstelle, die der fachlichen Leitung des Krankenhauses untersteht. In unmittelbarer räumlicher Nähe bedeutet, dass sie fußläufig zu erreichen ist. Alle drei Komponenten der INZ sind digital miteinander vernetzt, um eine nahtlose, rückverfolgbare und digitale Fallübergabe sicherzustellen und somit eine flüssige Versorgung der Hilfesuchenden zu gewährleisten. Für Zeiten außerhalb der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis sollen Kooperationsvereinbarungen mit Niedergelassenen Ärzt:innen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im näheren Umkreis geschlossen werden. Die zentrale Ersteinschätzungsstelle trifft für jeden Hilfesuchenden eine Entscheidung, welche Dringlichkeit die Behandlung hat und welche Versorgungsebene angezeigt ist. Dabei sind Hilfesuchende vorrangig zu behandeln, die im Vorfeld Kontakt zur Akutleitstelle aufgenommen haben. So sollen Anreize geschaffen werden, die Akutleitstelle als ersten Anlaufpunkt zu nutzen. Damit können bereits an dieser Stelle die Hilfesuchenden effizient in die richtige Versorgungsebene gesteuert werden.

Ist nach der notdienstlichen Akutversorgung eine ambulante Weiterbehandlung nötig, kann das INZ die Vermittlung eines Behandlungstermins in der vertragsärztlichen Versorgung anbieten. Hierzu werden die Vorgaben im SGB V zu den Terminservicestellen entsprechend angepasst, sodass die INZ darauf Zugriff haben.

Vernetzung von Rettungs- und Akutleitstellen

Der Gesetzentwurf sieht weiterhin vor, dass die Terminservicestellen ihre bisherige Aufgabe der Akutfallvermittlung an zu etablierende Akutleitstellen abgeben. Diese sind ebenfalls bei den KVen angesiedelt. Um Effizienzreserven zu heben, sind die KVen als Träger der Akutleitstellen verpflichtet, mit den Rettungsleitstellen zu kooperieren – allerdings nur auf Antrag eines Trägers einer Rettungsstelle, wenn diese über eine digitale standardisierte Notrufabfrage verfügt. Die verpflichtende Vernetzung von Rettungsstellen und Akutleitstellen fordern die Ersatzkassen bereits seit Jahren. Aus solch einer Kooperation geht dann ein sogenanntes Gesundheitsleitsystem hervor, in dem die Träger der Rettungsleitstellen und die KVen als Träger der Akutleitstelle zusammenarbeiten. Die Hilfesuchenden können damit abgestimmt in die für sie richtige Versorgungsebene weitergeleitet werden. Die einseitig verpflichtende Kooperation ist den hier eingeschränkten gesetzgeberischen Kompetenzen des Bundesgesetzgebers geschuldet, aber aus rein gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten unverständlich und sollte unbedingt auf beide Träger ausgeweitet werden.

Fakt ist: Eine Reform der Notfallversorgung ist dringend geboten, in Zeiten von klammen Kassen und immer weniger Ressourcen mehr denn je. Der vorliegende Gesetzentwurf ist durchaus geeignet, sinnvolle Reformen anzustoßen.

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