Pflege

Eigenanteile: An der Belastungsgrenze

Trotz zahlreicher guter Reformen besteht in der Pflege weiterhin politischer Handlungsdruck. Dabei geht es um die zunehmende Kostenbelastung der Pflegebedürftigen durch steigende Eigenanteile – ein Problem, auf das die Ersatzkassen seit Jahren aufmerksam machen. Zudem muss der Beitragssatz in der Pflegeversicherung stabilisiert und die Finanzierung der Pflegeversicherung als Säule der sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest gemacht werden. Uwe Klemens, Verbandsvorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), hat auf der vdek-Neujahrs-Pressekonferenz Ende Januar 2021 eine Pflegefinanzreform noch vor der Bundestagswahl gefordert.

Nach Berechnungen des vdek zahlt zum Stichtag 1. Januar 2021 jeder stationär versorgte Pflegebedürftige für pflegebedingte Aufwendungen, Investitionskosten sowie Unterkunft und Verpflegung im Bundesdurchschnitt monatlich 2.068 Euro aus der eigenen Tasche. „Für viele Pflegebedürftige ist das zu viel“, sagte Klemens. Wenn bei den Eigenanteilen nichts geschehe, würden immer mehr Menschen auf Leistungen der Sozialhilfe, genauer „Hilfe zur Pflege“, angewiesen sein. Bereits heute betreffe das rund zehn Prozent aller Pflegebedürftigen.

Es sind insbesondere die Kosten für die bessere und tariflich gebundene Bezahlung des Pflegepersonals und die schrittweise Verbesserung der personellen Ausstattung der Pflegeeinrichtungen, die die Eigenanteile in die Höhe treiben. Das Dilemma: Steigende Löhne und bessere Personalausstattung sind einerseits eine richtige und politisch wünschenswerte Entwicklung. Andererseits führt genau dies in der derzeitigen Systematik zu weiter steigenden Eigenanteilen der Pflegebedürftigen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat einen gedeckelten Eigenanteil der Pflegebedürftigen (ohne Investitionskosten sowie Unterkunft und Pflege) in Höhe von 700 Euro für längstens 36 Monate angedacht. „Das geht in die richtige Richtung und würde die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen planbar begrenzen“, kommentierte Klemens.

Investitionskosten der Länder

Der vdek-Verbandsvorsitzende forderte zudem die Bundesländer auf, endlich die Investitionskosten für die Pflegeeinrichtungen zu übernehmen, um auch hier die Pflegebedürftigen zu entlasten. „Die dazu von Minister Spahn vorgeschlagenen 100 Euro reichen nicht – sie decken nicht einmal ein Viertel der durchschnittlichen Investitionskosten von 458 Euro.“

Grafik: Finanzielle Belastung eines Pflegebedürftigen in der stationären Pflege

Ein Blick auf die Finanzlage in der Pflegeversicherung insgesamt zeigt: Die demografische Entwicklung und die zahlreichen Leistungsverbesserungen der letzten Jahre erhöhen stetig den Druck auf die Finanzen. Hinzu kam die Corona-Pandemie mit Rettungsschirmen und Corona-Prämie. Nur mithilfe eines einmaligen Steuerzuschusses in Höhe von 1,8 Milliarden Euro konnte der Beitragssatz in Höhe von 3,05 Prozent stabil gehalten werden. Berechnungen des vdek zufolge fehlen in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro und nächstes Jahr bereits 2,7 Milliarden Euro. Hier sind die möglichen Finanzwirkungen einer Reform zur Begrenzung der Eigenanteile auf 700 Euro, wie von Bundesgesundheitsminister Spahn vorgeschlagen, allerdings noch nicht eingerechnet. „Zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen braucht die Pflegeversicherung dauerhaft einen Steuerzuschuss“, forderte Klemens.

Zu einer Reform gehöre außerdem die Beteiligung der privaten Pflegeversicherung am Solidarausgleich mit der sozialen Pflegeversicherung. Dieser Finanzausgleich könnte die soziale Pflegeversicherung um rund zwei Milliarden Euro jährlich entlasten. „Das wäre solidarisch, da die private im Vergleich zur sozialen Pflegeversicherung vor allem einkommensstarke Personen mit geringerer Pflegewahrscheinlichkeit versichert“, so Klemens.

Grafik: SPV - Saldo und Vermögen
Grafik: SPV - Beitragssätze und Beitragszuschlag für Kinderlose

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