Die Corona-Pandemie unterstreicht den Reformbedarf der Krankenhausstrukturen. Dies zeigen Belegungszahlen der Ersatzkassenversicherten in den 1.702 Krankenhäusern während der Corona-Pandemie (erste Welle bis 31. Juli 2020). Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), hat Bund und Länder auf der vdek-Neujahrs-Pressekonferenz Ende Januar 2021 aufgefordert, sich für einen Konzentrations- und Spezialisierungsprozess der Krankenhauslandschaft stark zu machen.
Bereits vor der Pandemie bestand ein – auch wissenschaftlich unterlegter – breiter Konsens, dass Deutschlands Krankenhausstruktur nicht mehr zeitgemäß ist. Die Zahl von 1.702 Krankenhäusern mit insgesamt 2.571 Standorten wird im internationalen Vergleich als zu hoch bewertet. Insbesondere wird kritisiert, dass es zu viele kleine Krankenhäuser gibt, denen es zum Beispiel an Erfahrung, Ausstattung und nötigen Investitionsmitteln fehlt. Immerhin haben 65 Prozent der Krankenhäuser weniger als 300 Betten; diese Krankenhäuser stellen zusammengenommen nur 28 Prozent der bundesweiten Bettenkapazitäten.
Während der Pandemie konnte ein Großteil der an Covid-19 erkrankten Patienten ambulant behandelt werden. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zeigte sich, dass ein starker ambulanter Sektor benötigt wird, der den Krankenhäusern den Rücken freihält, damit diese sich auf die Behandlung der schwerstkranken und tatsächlich krankenhausbehandlungsbedürftigen Patienten konzentrieren können.
Belegungszahlen zeigen Reformbedarf
Die Belegungszahlen des vdek während der ersten Corona-Welle bis 31. Juli 2020 unterstreichen den bereits konstatierten Reformbedarf in der Krankenhauslandschaft: Von den 1.702 Krankenhäusern haben 1.438 somatische Fachabteilungen. In etwa 72 Prozent der somatischen Krankenhäuser wurden Ersatzkassenpatienten behandelt, die bestätigt an Covid-19 erkrankt waren. 36,5 Prozent dieser Krankenhäuser haben Covid-19-Ersatzkassenpatienten beatmet bzw. intensivmedizinisch behandelt. Von allen stationär behandelten Ersatzkassenpatienten wurden insgesamt 15,8 Prozent beatmet. Die intensivbehandlungsbedürftigen Covid-19-Patienten wurden primär in Schwerpunktversorgungskrankenhäusern oder Fachkrankenhäusern der Lungenheilkunde behandelt und nicht in Krankenhäusern der Basisversorgung. Diese haben hingegen häufig Covid-19-Patienten aus Alten- und Pflegeheimen versorgt, deren Betreuung anderweitig nicht sichergestellt werden konnte.
Mit zunehmender Schwere der Erkrankung rückte auch bei Covid-19-Patienten die wohnortnahe Versorgung in den Hintergrund. Dies gilt insbesondere für die ländlichen Regionen. Gerade hier hat die Covid-19-Pandemie de facto zu einer Patientenwanderung der Schwersterkrankten in die Schwerpunkthäuser in Ballungsregionen geführt. Die kleineren ländlichen Krankenhäuser beteiligten sich in der Regel an der Versorgung ambulant behandlungsbedürftiger Covid-19-Patienten.
Planbare Eingriffe konnten im höheren Ausmaß problemlos aufgeschoben werden. Hier waren zum Teil Fallzahlrückgänge von über 50 Prozent zu beobachten. Zu nennen sind gynäkologische Operationen oder auch das Einsetzen einer Knie- oder Hüftprothese. Diese Entwicklung wirft die Frage nach dem generellen Fehlbelegungspotenzial auf. „Es liegt auf der Hand, dass nicht alle verschobenen Krankenhausbehandlungen zwingend erforderlich waren und auch nicht zwingend nachgeholt werden müssen“, so Elsner.
Die Politik habe Elsner zufolge richtig auf die Pandemie reagiert. Über Freihaltepauschalen, erhöhten Pflegewert und Mindererlösausgleiche sei gewährleistet, dass die Corona-Pandemie für die Krankenhäuser nicht zur Existenzfrage wird. Im Gegenteil: Die Freihaltepauschale sei leider oft zu einer Leerstandpauschale geworden, von der Krankenhäuser besonders profitiert hätten, die nicht intensivmedizinisch betreut haben. Mit der sogenannten Dritten Freihaltepauschale habe der Gesetzgeber die Freihaltepauschale folgerichtig auf Kliniken begrenzt, die Covid-19-Patienten tatsächlich behandeln.
Elsner forderte Bund und Länder auf, einen „Bund-Länder-Pakt“ zu etablieren und sich für einen Konzentrations- und Spezialisierungsprozess der Krankenhauslandschaft stark zu machen und gleichzeitig die Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Dies könne erreicht werden durch die Nutzung digitaler Möglichkeiten und die Umwidmung von Krankenhäusern zu einer ambulantstationären Basisversorgung. Ebenfalls müsste ambulantes Potenzial stärker genutzt werden und Fehlanreize im Vergütungssystem abgebaut werden. Ziel sei es, die Versorgungsqualität deutlich zu verbessern. „Weniger ist mehr – dies gilt auch in Bezug auf die Krankenhäuser bzw. ihre Standorte“, so Elsner.
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