forsa-Umfrage der KKH

Wenn psychischer Druck den Nachwuchs krank macht

Immer mehr Kinder und Jugendliche stehen unter seelischem Stress. Als Folge nehmen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen zu. Manche Heranwachsende stehen so unter Druck, dass sie sich absichtlich schneiden oder „ritzen“. Anhand von Arztdiagnosen zu psychischen Erkrankungen und einer forsa-Umfrage ist die KKH Kaufmännische Krankenkasse den Ursachen auf den Grund gegangen. Ein neues, bislang einzigartiges Präventionsprojekt soll zudem Selbstverletzungen entgegenwirken.

Illustration: Psychischer Druck bei Jugendlichen

Die repräsentative forsa-Umfrage unter Eltern im Auftrag der KKH zeigt, dass gut ein Fünftel (21 Prozent) der Eltern von sechs- bis zehnjährigen Heranwachsenden den Eindruck hat, dass ihr Kind aktuell psychisch stark belastet ist. Bei Eltern von Elf- bis 18-Jährigen liegt der Anteil sogar bei knapp einem Drittel (mehr als 30 Prozent). Und der Stress nimmt zu: 40 Prozent der befragten Mütter und Väter sagen, dass ihr Kind in den vergangenen ein bis zwei Jahren vermehrt psychisch gelitten hat. Auch KKH-Daten zeigen, wie ernst es um die seelische Gesundheit von Schüler*innen steht, gerade mit Blick auf junge Frauen im Alter von 15 bis 18 Jahren. Im Fokus stehen Angststörungen, Depressionen und Essstörungen wie Magersucht und Bulimie. „Im Alters- und Geschlechtervergleich sehen wir hier sowohl die größten Zunahmen an Arztdiagnosen als auch die meisten Betroffenen“, berichtet KKH-Psychologin Franziska Klemm. Demnach stieg von 2012 auf 2022 der Anteil der Sechs- bis 18-jährigen Versicherten

  • mit Angststörungen insgesamt um 53 Prozent (von 1,2 auf 1,8 Prozent),
  • bei den 15- bis 18-jährigen Frauen sogar um 115 Prozent (von 2,4 auf 5,1 Prozent)

  • mit Depressionen insgesamt um fast 88 Prozent (von 1,3 auf 2,4 Prozent),
  • bei den 15- bis 18-jährigen Frauen um 122 Prozent (von 3,9 auf 8,7 Prozent)

  • mit Essstörungen insgesamt um rund 35 Prozent (von 0,5 auf 0,7 Prozent),
  • bei den 15- bis 18-jährigen Frauen um 62 Prozent (von 1,2 auf 2,0 Prozent)

Diese Erkrankungen sind es auch, die mit Blick auf die Corona-Pandemie überproportional zugenommen haben: Bei Angststörungen registrierte die KKH vom Vor-Corona-Jahr 2019 auf 2022 ebenfalls bei den 15- bis 18-jährigen Frauen einen besonders starken Anstieg von 40 Prozent (von 3,6 auf 5,1 Prozent), bei Depressionen von fast 30 Prozent (von 6,8 auf 8,7 Prozent) und bei Essstörungen von rund 44 Prozent (von 1,4 auf 2,0 Prozent). „Die Folgen der mehrjährigen Ausnahmesituation sind noch gegenwärtig“, sagt Psychologin Klemm. Viele Schüler*innen stünden nun unter Druck, in der Pandemie Versäumtes nachzuholen, das Schuljahr mit guten Noten abzuschließen, einen Abschluss zu schaffen, der eine solide berufliche Zukunft ermöglicht. Die Corona-Krise ist es aber nicht allein, die dem Nachwuchs auf die Seele schlägt: 42 Prozent der Eltern psychisch stark belasteter Kinder geben zwischenmenschliche Konflikte als Grund dafür an, knapp ein Drittel (32 Prozent) nennt Mobbing in der Schule oder in sozialen Netzwerken als Ursache.

Doch wie entlädt sich der seelische Druck bei Kindern und Jugendlichen? Die häufigsten Reaktionen sind laut forsa-Umfrage Traurigkeit und Rückzug: Das sagt jeweils etwa die Hälfte der befragten Eltern, deren Kind psychisch stark belastet ist. Aber auch Ängste und Aggressionen, sowohl gegen andere als auch gegen sich selbst, spielen eine Rolle. Hier setzt eine Studie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg an, das die KKH bei der Entwicklung von Präventionsprogrammen unterstützt. Ein Forschungsteam um Klinikdirektor Prof. Dr. Marcel Romanos hat rund 880 Schüler*innen im Alter von elf bis 14 Jahren zu ihrem psychischen Befinden befragt: Rund elf Prozent gaben an, sich selbst zu verletzen, etwa in Form von Ritzen. „Selbstverletzendes Verhalten ist ein außerordentlich häufiges Phänomen im frühen Jugendalter und ein Hochrisikofaktor für schwere psychische Erkrankungen wie Depressionen und suizidales Verhalten“, erläutert Studienleiter Romanos. Entgegensteuern soll hier das neue schulbasierte Präventionsprogramm „DUDE – Du und deine Emotionen“, das die KKH mitentwickelt hat. Es richtet sich an Schüler*innen der sechsten und siebten Klassen und hat das Ziel, die Regulation von Gefühlen zu fördern, die mentale Gesundheit langfristig zu stärken und so psychische Erkrankungen zu vermeiden.

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