vdek-Zukunftspreis 2023

Vorbildliche Initiativen für eine klimasensible Versorgung

Mit dem vdek-Zukunftspreis 2023 haben die Ersatzkassen Initiativen ausgezeichnet,  die sich mit dem Thema „Klimawandel und Gesundheit“ auf innovative Weise  auseinandersetzen. Die vier prämierten Projekte tragen dazu bei, den Auswirkungen  der Klimakrise entgegenzuwirken und die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Preisverleihung vdek-Zukunftspreis 2023 (v. l. n. r.): Dr. med. Andreas Lipécz, Jörg Lindenthal (Gesundheitsnetz QuE), vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner, Franziska Köster (Universität Münster), vdek-Verbandsvorsitzender Uwe Klemens, Martin Horn (AWO Seniorenzentrum Brandenburg), Thomas Diekamp (AWO Bundesverband) ,

Wie gelingt eine klimasensible Versorgung? Welche Maßnahmen lassen sich auf den Weg bringen, um insbesondere die vulnerablen Personengruppen zu schützen? Inwieweit kann Klimaschutz als Querschnittsaufgabe in Gesundheitseinrichtungen, Kommunen und Organisationen verankert werden? Und wo bestehen Möglichkeiten  zur Unterstützung von Gesundheitsberufen zu mehr Nachhaltigkeit? Fragen, mit denen sich bereits viele Initiativen – von Einrichtungen über Fachgesellschaften bis bin zu Privatpersonen – auseinandersetzen, wie die Bewerbungen um den vdek-Zukunftspreis 2023 zeigten. Die Jury des vdek-Zukunftspreises wählte vier Best-Practice-Beispiele aus und vergab einen ersten Platz (dotiert mit 9.000 Euro), einen zweiten Platz (dotiert mit 5.000 Euro) sowie zwei dritte Plätze (jeweils dotiert mit 3.000 Euro). Diese vier Projekte überzeugten die Jury auf ihre jeweils ganz eigene Art. „So umfassend die Herausforderungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit und die Versorgung sind, so vielfältig sind auch die Ideen und Lösungsansätze, diesen Herausforderungen  zu begegnen. Unsere diesjährigen Preisträgerinnen  und Preisträger spiegeln diese Vielfalt wider“, erklärte Uwe Klemens, ehrenamtlicher Verbandsvorsitzender des vdek und Juryvorsitzender, in seiner Laudatio. Dieses Engagement, diesen Ideenreichtum und kritischen Blick wolle man ausdrücklich würdigen und unterstützen. Dass solche Initiativen großen Einfluss haben können, zeigt ein Rückblick auf vergangene vdek-Zukunftspreise: „Ganz viele Projekte, die mit dem vdek-Zukunftspreis ausgezeichnet wurden, sind inzwischen in der Regelversorgung verankert“, betonte Klemens.

1. Preis (9.000 Euro): Studierende konzipieren praxisnahe Lehrveranstaltung

Ist der medizinische Nachwuchs auf den Klimawandel vorbereitet? Diese Frage haben sich Studierende der Universität Münster gestellt – und sehen großen Verbesserungsbedarf. Die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise würden im Medizinstudium bislang kaum vermittelt, es mangele an verpflichtenden Lehrveranstaltungen. Kurzerhand organisierten die Studentinnen und Studenten, die sich auch in dem Zusammenschluss „Health for Future“ engagieren, unter Federführung von Kyra Lilier und Franziska Köster selbst eine praxisnahe Lehrveranstaltung: Die „Klimalimette“ bringt Medizinstudierenden in Simulationstrainings die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels näher. Ziel ist es, künftige Ärztinnen und Ärzte auf die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten sowie die eigene berufsbezogene Rolle zu reflektieren.

Projekt „Klimalimette“

Die Lehrveranstaltung sieht vor, dass sich Medizinstudierende in Interaktion mit Schauspielpatientinnen und -patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen und Risiken auseinandersetzen, die als Folge des Klimawandels auftreten können. Das Spektrum der Fälle reicht von hitzeassoziierten Erkrankungen und Infektionskrankheiten über psychische Gesundheitsfolgen bis hin zu Aspekten nachhaltiger und gesunder Ernährung. Dieses praxisnahe Verfahren ermöglicht den angehenden Ärztinnen und Ärzten, den Umgang mit Krankheiten in Bezug auf den Klimawandel, etwa einen Hitze-Notfall, zu üben und Wissen in die Tat umzusetzen. Ein vorgeschaltetes E-Learning-Modul dient als Vorbereitung. Anhand interaktiver Online-Module lernen die Teilnehmenden neue Krankheitsmuster im Kontext des Klimawandels kennen und beschäftigen sich mit den vielen komplexen Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Ernährung, Psyche und Migration. Unterstützung bei der Konzeptionierung und Umsetzung erhielt das Team unter anderem von der Leitungsebene der „Limette“, des Lernzentrums für individualisiertes medizinisches Tätigkeitstraining und Entwicklung an der Universität Münster, in dem die medizinische Fakultät ihre Simulationstrainings abhält.

Die „Klimalimette“ ist als Pilotprojekt die erste Veranstaltung dieser Art in der medizinischen Lehre in Deutschland und wird nun in den Lehrplan der Universität Münster dauerhaft integriert. Dabei geht es neben der Sicherung der leitliniengerechten Versorgung häufiger auftretender klimabedingter Krankheitsbilder auch darum, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Die Studierenden hoffen, mit ihrem erfolgreichen Projekt Vorbild und Inspiration für weitere medizinische Fakultäten zu sein.

2. Preis (5.000 Euro): Unterstützung für Ärztinnen und Ärzte

Der Deutsche Ärztetag will seinen Beitrag leisten, um bis zum Jahr 2030 ein klimaneutrales Gesundheitswesen zu erreichen, auch die Beschlüsse des Bayerischen Ärztetages geben einen klaren Handlungsauftrag zur klimasensiblen Gesundheitsversorgung. Das Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz eG Nürnberg (QuE) nimmt sich dieser Verantwortung an: Mit dem Projekt „Klimasensible Gesundheitsversorgung im Gesundheitsnetz QuE eG Nürnberg“ unterstützt das Netzwerk Ärztinnen und Ärzten bei ihrer Arbeit und trägt damit zu einer an die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels angepassten medizinischen Primärversorgung bei. Im Fokus stehen eine qualitativ hochwertige, klimasensible medizinische Versorgung, die Prävention von klimainduzierten Krankheitsbildern sowie eine nachhaltige Praxisführung.

Projekt „Klimasensible Gesundheitsversorgung im Gesundheitsnetz QuE eG Nürnberg“

63 Arztpraxen mit 120 Haus- und Fachärztinnen und -Fachärzten sind derzeit in dem Netzwerk organisiert. Knapp 150.000 Patientinnen und Patienten werden jährlich von den Netzpraxen versorgt. Das Netzwerk adressiert mit seinem Projekt gezielt die Teams seiner Mitgliedspraxen, um diese für die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise zu sensibilisieren und sie in ihrer Handlungsfähigkeit zu stärken. Dafür stellt es vielfältige Informationsmaterialien, Handlungsempfehlungen und Fortbildungsangebote zur Verfügung, die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bei der Beratung, Diagnose und Therapie von klimabedingten Beschwerden unterstützen. Ein zentraler Baustein ist das QuE-Hitzepaket, das umfassende Informationen enthält und den Mitgliedspraxen vor den ersten Hitzewellen zugestellt wurde. Ein weiterer integraler Bestandteil sind begleitende fachliche Schulungen für Medizinerinnen und Mediziner zum Aufbau von Klimaresilienz. Damit wird klimasensible Gesundheitsversorgung direkt vor Ort gelebt. Die primäre versorgungsrelevante Auswirkung stellt eine deutliche Verbesserung der Präventions- und Behandlungsqualität in den QuE-Praxen dar, insbesondere weil den Risiken aufgrund der Adaptionsmaßnahmen frühzeitig begegnet wird.

Das Gesundheitsnetz QuE fühlt sich im Sinne einer ganzheitlichen und patientensicherheitsorientierten ambulanten ärztlichen Versorgung verpflichtet, den Risiken der Klimakrise offensiv zu begegnen und den Patientinnen und Patienten eine klimasensible Gesundheitsversorgung zu erbringen. Das Wissen und die Erfahrungen, die das Netzwerk im Rahmen des Projekts erwirbt, werden auch an weitere lokale Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens weitergegeben, sodass flächendeckend positive Effekte in der Versorgung generiert werden.

3. Platz (3.000 Euro): Dialog für mehr Hitzeschutz im Quartier

Die Folgen des Klimawandels sind nicht zuletzt im vergangenen Sommer spürbar gewesen, so auch in der stark versiegelten Stadt München. Dabei erleben immer mehr Bürgerinnen und Bürger Hitzestress und fühlen sich schnell überfordert von den vielen Informationen über die Hitzeproblematik. Zugleich finden politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, Hausverwaltungen, Stadtplanerinnen und Stadtplaner noch zu langsam einen gemeinsamen Nenner mit Blick auf langfristig wirksame Maßnahmen zu hitzeresilienter Quartiers- und Stadtteilgestaltung. Der Verein MAGs – München Aktiv für Gesundheit baut mit „Hitzefrei in Münchner Quartieren“ einen Dialog auf zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern mit ihrem Wissen um das Lebensumfeld und ihre gesundheitsrelevante Vulnerabilität und den Verantwortlichen für präventive Angebote in diesem Lebensumfeld. Gemeinsam beraten sie zum Hitzeschutz im Quartier und entwickeln Maßnahmen zur hitzeresilienten Gestaltung des Lebens während Hitzeperioden, etwa den Zugang zu Trinkwasser und die Schaffung von Schattenplätzen im öffentlichen Raum.

Verein MAGs – München Aktiv für Gesundheit baut mit „Hitzefrei in Münchner Quartieren“

Zudem wurde eine webbasierte Hitze-App als Basis für einen quartiersbezogenen Hitzeschutz und Hitzeaktionsplan freigeschaltet. Insbesondere vulnerable Bewohner:innengruppen erhalten Zugang zu Hitzetipps und frühzeitigen Hitzewarnungen. Nachbarschaftstreffs sowie Gesundheits-, Sozial- und Bildungseinrichtungen beteiligen sich am Netzwerk. Das Projekt lebt vom stadtteilbezogenen Engagement für Hitzeschutz und zeigt, dass dieser nicht als individuelle Aufgabe zu verstehen ist. Mit dem niedrigschwelligen, aufsuchenden Ansatz in Quartieren trägt der Verein zur Verbesserung der Versorgung vor Ort bei und verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit auf anschauliche und integrative Art und Weise.

3. Platz (3.000 Euro): Klimaneutrale Pflege im Alltag verankern

Verpflegung, Energie und Ressourcen: drei Bereiche, die den CO2-Fußabdruck in Pflegeheimen in großem Maße beeinflussen. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat sich mit ihrem Projekt „klimafreundlich pflegen – überall!“ auf den Weg gemacht, die Treibhausgasemissionen in stationären Pflegeeinrichtungen an zentralen Stellschrauben zu senken und setzt dabei auf direkte Einbeziehung und Unterstützung und damit auf das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Häusern. 2022 verabschiedete die AWO einen Ziel- und Maßnahmenkatalog, mit dem sie vor 2040 Klimaneutralität erreichen will. Dabei nahm sie Unterstützungsbedarf wahr, den sie mit diesem Projekt auffangen will. Regionalkoordinatorinnen und Regionalkoordinatoren begleiten über 80 Einrichtungen der stationären Alten- und Behindertenhilfe, die jeweils ein eigenes Klimaschutzteam bereithalten. Sie unterstützen bei der Umsetzung. Ein weiterer Baustein sind Schulungs- und Fortbildungsangebote, etwa zu klimafreundlichem Kochen. Darüber hinaus soll das Thema „Pflege und Klimawandel“ stärker in den politischen Diskurs eingebracht werden.

Projekt „klimafreundlich pflegen – überall!“

Erste Erfolge zeichnen sich bereits ab. Durch verbesserte Kommunikation zwischen Pflegekräften und Küchenpersonal, durch Schulungen sowie durch eine systematische Erhebung konnten Speiseabfälle im Durchschnitt um 20 Prozent reduziert werden. Zudem gibt es mehr vegetarische Mahlzeiten. Gesenkt wurde auch die Abfallmenge insgesamt durch ein von den Einrichtungen erarbeitetes Müllkonzept. Das schließt geringeren Papierverbrauch sowie die Umstellung auf Recyclingpapier mit ein. Mit Blick auf Energiegewinnung und -verbrauch treibt die AWO die Installation von Photovoltaikanlagen voran, verstärkt das Augenmerk auf effektives Lüften und Heizen und motiviert mit Angeboten wie E-Bikes zu klimafreundlicher Mobilität.

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