Bund-Länder-Gruppe

Was lassen die Länder von einer Krankenhausreform übrig?

Nach der ersten Auftaktsitzung der „Bund-Länder-Gruppe für die Krankenhausreform“ hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach noch von einem gelungenen Auftakt und einer notwendigen Revolution im Krankenhaussektor gesprochen. Gegenwärtig gewinnt man den Eindruck, das Vorhaben erstickt an der Rebellion der Länder gegen jegliche Veränderungen der Krankenhausstrukturen.

Illustration: Krankenhausreform

Der Grundstein für eine Krankenhausreform wurde mit dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung gelegt. Im Mai 2023 rief Gesundheitsminister Lauterbach eine Regierungskommission ins Leben, die mittlerweile neun Empfehlungen abgegeben hat. Seit dem 5. Januar 2023 haben sich die Länder aktiv in die Ausarbeitung einer Krankenhausreform eingebracht. Hierbei kam den Ländern zugute, dass das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Bislang konnten die unterschiedlichen Interessen zwischen Bund und Ländern in einem Eckpunkte-Papier am 10. Juli 2023 geeint werden. Seitdem ringt eine 4-plus-1-Bund-Länder-Gruppe, die sich aus Vertretern der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sowie dem Bundesgesundheitsministerium zusammensetzt, um den Entwurf eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes. Am 23. November 2023 wurden ein vierter Arbeitsentwurf und für Mitte Januar nächsten Jahres ein Referentenentwurf angekündigt.

Die Länder besitzen den Sicherstellungsauftrag für die Krankenhausversorgung. Hierzu betreiben sie entweder eigene Krankenhäuser oder beauftragen andere Träger dazu. Dies geschieht über das Aufstellen von Krankenhausplänen und Investitionsprogrammen. Seit der Einführung der dualen Krankenhausfinanzierung 1972 haben die Länder kontinuierlich ihre Investitionsförderung reduziert. Dies verdeutlicht die Abbildung, die die unterschiedliche Entwicklung der von den Krankenkassen zu finanzierenden Betriebskosten und den von den Ländern zu fördernden Investitionskosten wiedergibt:

Infografik: Fördermittel und Betriebskosten

Die Investitionsförderquote ging bis 2017 auf unter drei Prozent zurück, bis sie zuletzt im Jahr 2022 leicht auf knapp 3,5 Prozent angestiegen ist. Das reale Investitionsvolumen der Krankenhäuser lag aber, gemessen an den Gesamtausgaben für Krankenhäuser, zwischen sieben und acht Prozent. Folglich wurde der Großteil der Investitionen nicht über die Länder, sondern über die DRG-Entgelte (diagnose- und prozedurorientierte Fallpauschalen) finanziert – also über die Krankenkassen.

Bei der unzureichenden Förderbereitschaft der Länder liegt es nahe, dass die Investitionsprogramme und Krankenhauspläne äußerst defensiv fortgeschrieben wurden. Seit der Einführung der DRG-Fallpauschalen und eines landesweiten Preissystems haben die Krankenhausträger über die Ausrichtung ihres Leistungsportfolios und über die Aufrechterhaltung eines Krankenhausstandortes selbst entschieden. Die Länder haben diese Marktbewegungen mehr oder weniger in ihren Krankenhausplänen dokumentiert. Der von der Regierungskommission vorgeschlagene Ansatz, Krankenhausplanung aktiv und prospektiv über Leistungsgruppen zu betreiben, erfordert eine komplett andere Handlungsweise der Länder und stößt vielleicht deshalb auf deren Ablehnung.

Wo ist das Geld geblieben?

Die Erlöse der Krankenhäuser zur Finanzierung der Betriebskosten ergeben sich aus dem Produkt der Relativgewichte der einzelnen DRG-Fallpauschalen und dem auf Landesebene zu vereinbarenden Basisfallwert. Der durchschnittliche Bundesbasisfallwert gibt den Erlös eines durchschnittlichen aufwändigen Krankenhausfalls wieder. Die Relativgewichte werden nach den tatsächlichen Kosten der Kalkulationskrankenhäuser kalkuliert. Die privaten Krankenhausträger beteiligen sich im Übrigen mit ihren größtenteils günstigen Kostenstrukturen nicht freiwillig an diesem Kalkulationsverfahren. Hingegen gibt die Bezugsgröße die durchschnittlichen Kosten eines Krankenhauses für einen durchschnittlich aufwändigen Krankenhausfall wieder. Die Differenz aus Basisfallwert und Bezugsgröße gibt folglich den Gewinn oder Verlust pro Fall eines Krankenhauses im bundesweiten Durchschnitt wieder. Die Gewinnmarge der Krankenhäuser war seit 2010 zweistellig und lag in den Jahren bis 2022 bei sage und schreibe 16 Prozent.

Der Zusammenhang von Basisfallwert und Bezugsgröße wurde von den Vertretern der Krankenhäuser solange negiert, bis er drohte, sich 2023 umzukehren. Allerdings konnte die positive Entwicklung der Grundlohnrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassen, die für die Vereinbarung der Basisfallwerte ein wichtiger Bestandteil ist, ein generelles Abrutschen der Krankenhäuser in die Verlustzone verhindern, wenngleich die durchschnittliche Gewinnmarge auf fünf Prozent schrumpfte: sicherlich ein Wert, über den weite deutsche Industriezweige glücklich wären, aber die erfolgsverwöhnten Krankenhausträger dazu veranlasst, täglich Horrorszenarien insolvenzgefährdeter Krankenhäuser durch die Medien zu treiben – anscheinend mit Erfolg, wenn man sich die Positionierung der Länder zur Krankenhausreform vor Augen führt. Bedenkt man, dass die Krankenhausträger aus diesen Gewinnen nur etwa vier bis fünf Prozentpunkte zur Deckung der Investitionslücke aufgebracht haben, stellt sich die Frage nach den verbleibenden Gewinnen. Eigentlich müsste es den Krankenhausträgern in den wirtschaftlichen starken letzten Jahren möglich gewesen sein, ausreichend Rücklagen zu bilden, die Unternehmen in schlechteren Zeiten Rückhalt geben. Bis zur Einführung der DRG-Fallpauschalen gab es eine Zweckbindung erwirtschafteter Gewinne. Da es diese nicht mehr gibt, liegt die Vermutung nahe, dass sich die Krankenhausträger dieser Gewinne bedient haben.

Neue Realität sinkender Fallzahlen

Mit der Corona-Pandemie sanken die Fallzahlen beziehungsweise die Belegungstage in den Krankenhäusern. Auch 2022 lag das Fallzahlniveau noch rund 13 Prozent unter den Werten von 2019. Der Rückgang war in den konservativen Bereichen mit rund 16 Prozent deutlich stärker als in den operativen Fächern mit rund neun Prozent ausgeprägt. Moderater war der Rückgang in den psychiatrischen Disziplinen, wo ein Belegungstagerückgang von etwa acht Prozent zu verzeichnen ist und die Tagesbehandlungen sogar um zehn Prozent angestiegen sind. Diese Leistungsrückgänge wirken sich natürlich auf die fixen Kosten eines Krankenhauses aus. Über die Ursachen des Fallzahlen- und Belegungstagerückgangs wird spekuliert. Sicher ist, dass der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen hier eindeutig Spuren zeigt. Um den Fachkräftemangel zu beheben, ist neben einer weitreichenden Ambulantisierung ein Konzentrationsprozess der Krankenhausstrukturen notwendig. Die bloße Bereitstellung zusätzlicher Mittel, die mit der Gießkanne über alle Krankenhäuser gleichermaßen verteilt werden sollen, verhindert diesen Prozess. Die nunmehr von Bund und Ländern angedachte Vorhaltekostenfinanzierung löst das Problem nicht, sondern verschärft es. Eine Vorhaltekostenfinanzierung zur Reduzierung des Fehlanreizes medizinisch nicht indizierter Mengensteigerungen hätte bis zum Beginn der Pandemie absolut Sinn gemacht. Die neuen Rahmenbedingungen machen diese in den Ballungsgebieten obsolet, da aufgrund des Personalmangels auf absehbare Zeit keine Mengenausweitungen mehr zu erwarten sind. Eine Begrenzung der Vorhaltekostenfinanzierung auf ländliche strukturschwache Regionen hingegen würde Sinn machen, da hier die Versorgung gesichert werden muss.

Mut zu Veränderungen

Eigentlich dürfte allen Beteiligten im Gesundheitswesen klar sein, dass die Zahl der verfügbaren Fachkräfte in Zukunft nicht mehr für die Anzahl der Krankenhausstandorte ausreicht. Die logische Konsequenz ist eine Konzentration und Zentralisierung der Standorte insbesondere in den gut versorgten Ballungsgebieten. Die Regierungskommission hat diesen Aspekt mit entsprechenden Lösungsansätzen aufgegriffen. Die Länder haben hingegen mehrfach erklärt, dem öffentlichen Druck gegen Krankenhausschließungen nicht standhalten zu wollen. Die Folge ihrer Forderungen ist ein „Weiter so“ im neuen Gewand. Das Planungsinstrument der Leistungsgruppen soll durch weitgehende Ausnahmeregelungen ad absurdum geführt werden, und die Vorgabe von Leveln für ein gestuftes Versorgungssystem wird gänzlich abgelehnt. Das Sprichwort „Weniger ist mehr“ gilt heutzutage auch für die Krankenhausstandorte. Setzen sich die Länder mit ihren Forderungen durch, werden eine Verbesserung der Versorgungsqualität, die mit einem Konzentrationsprozess einhergeht, ausbleiben und die überalterten und nicht mehr zeitgemäßen Krankenhausstrukturen über eine in den Ballungsgebieten obsolete Vorhaltekostenfinanzierung mit Beitragsgeldern manifestiert.

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