Reform

Das Psychotherapeutengesetz wird erwachsen

Gut 20 Jahre nach dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes am 1. Januar 1999 hat der Gesetzgeber jetzt mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung (PsychThG) eine grundlegende Überarbeitung des Psychotherapeutengesetzes vorgelegt. Hierzulande wird die Hälfte aller ambulanten Psychotherapien von den Versicherten der Ersatzkassen in Anspruch genommen. Daher sind das Interesse an einer qualitativ hochwertigen psychotherapeutischen Versorgung und die Erwartung an die Weiterentwicklung des Psychotherapeutengesetzes entsprechend hoch.

roter Paragraph

In Zeiten, in denen alle Gesundheitsgruppen im Gesundheitswesen um Nachwuchs ringen müssen, ist eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Ausbildung zu begrüßen. Im Ergebnis muss sie stets gewährleisten, dass die Qualität der Versorgung gesichert oder verbessert wird. Im Kern der vorliegenden Reform stehen Änderungen an der Ausbildung zum Psychotherapeuten. So wird ein neuer fünfjähriger Bachelor-/Masterstudiengang mit anschließender staatlicher Prüfung eingeführt, nach deren Bestehen die Approbation erteilt wird. Bisher waren ein abgeschlossenes Psychologiestudium (alternativ Pädagogik oder Sozialpädagogik für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) und eine vertiefende Weiterbildung in einem vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) anerkannten Richtlinienverfahren Voraussetzung für den Fachkundenachweis und damit Voraussetzung für eine vertragsärztliche Tätigkeit.

Gezielte Vorbereitung

Der Vorteil des neu eingeführten „Direktstudiums“ ist sicherlich, dass die Studierenden von Anfang an gezielt auf die Anforderungen als Psychotherapeut vorbereitet werden können. Inwieweit aber die von der Bundesregierung hoch gesteckten Ziele, den Zugang zum Beruf des Psychotherapeuten insgesamt gerechter und attraktiver zu gestalten, erreicht werden können, bleibt abzuwarten. Denn auf der anderen Seite müssen die Studierenden zukünftig bereits vor Beginn des Studiums die Grundsatzentscheidung treffen, Patienten behandeln zu wollen – bislang war dies erst nach Abschluss des Psychologiestudiums mit der Wahl einer Weiterbildung in einem vom G-BA anerkannten Richtlinienverfahren erforderlich.

Weitere berufsrechtlich relevante Änderungen betreffen vor allem den Psychotherapeuten in Ausbildung (PIA), dessen Vergütung bislang nicht gesichert war. Je nach Ort der Ausbildung erhielten die PIA nicht nur keine Vergütung, sondern mussten sogar noch Gebühren an das Ausbildungsinstitut zahlen, wodurch sich viele PIA verschulden mussten. Dieser Praxis setzt der Gesetzgeber nun ein Ende. Das ist zu begrüßen.

Hingegen kritisch zu sehen ist die zukünftige Möglichkeit des Psychotherapeuten, Ergotherapie und psychiatrische Krankenpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege verordnen zu können. Diese Ausweitung der Verordnungsmöglichkeit der Psychotherapeuten ist nicht nachzuvollziehen. Bei der Ergotherapie handelt es sich um eine therapeutische Maßnahme, die insbesondere im Zusammenhang mit schweren somatischen Leiden Anwendung findet, beispielsweise bei Schlaganfall- oder Herzinfarktpatienten oder bei Menschen mit massiven neurologischen Störungen. Hier ist kein unmittelbarer Zusammenhang zur psychotherapeutischen Behandlung erkennbar, auch wenn Ergotherapie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Ganz ähnlich sieht es bei der Verordnung psychiatrischer Krankenpflege aus. Psychotherapeutische Behandlungen fokussieren auf die Psyche, im Bereich der Psychiatrie wird hingegen unter anderem durch den Einsatz von Medikamenten eine sowohl auf Psyche als auch auf Soma abzielende Behandlung durchgeführt. Damit wird eine Patientengruppe adressiert, die in der Regel nicht durch Psychotherapeuten behandelt wird. Entsprechend sollte die Verordnung der psychiatrischen Krankenpflege Arztgruppen vorbehalten sein, die im unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang tätig sind.

Prüfungs- und Zuständigkeitsbereich des G-BA

Im Lichte der zum Teil nur noch schwer nachvollziehbaren kritischen Debatten in der Politik um die Rolle des G-BA ist es sehr erfreulich, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein zentraler Kritikpunkt aus dem Referentenentwurf ausgeräumt wurde. Dieser hatte vorgesehen, die psychotherapeutischen Verfahren aus dem Prüfungs- und Zuständigkeitsbereich des G-BA herauszunehmen. In der Folge hätten psychotherapeutische Verfahren, die Gegenstand der Weiterbildung sind, weil sie insbesondere vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie nach § 8 PsychThG als wissenschaftlich anerkannt begutachtet wurden, auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung automatisch erbracht werden können. Das G-BA-Verfahren, das regelt, welche psychotherapeutischen Verfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angewendet werden dürfen, wäre faktisch ausgehebelt worden. Eine Betrachtung der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit, wie in § 12 SGB V gefordert, hätte nicht mehr stattfinden können.

Die Ersatzkassen haben sich dafür eingesetzt, das bisherige G-BA-Verfahren beizubehalten. Dem ist der Gesetzgeber gefolgt. Er hat dem G-BA sogar darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt, den Behandlungsbedarf zu konkretisieren und spezifische Behandlungsempfehlungen auszusprechen, und verknüpft die Eintragung ins Arztregister wie bisher auch an eine Weiterbildung in einem vom G-BA anerkannten Verfahren. Auch diese Regelung in § 95c SGB V sollte ursprünglich gestrichen werden.

Gut ist auch, dass der Modellstudiengang zur Kombination aus Psychotherapie und Pharmakologie nicht mehr Eingang in das Gesetz findet. So wie dieser im Referentenentwurf angelegt war, hätte er allenfalls Psychotherapeuten und Pharmakologen „light“ hervorgebracht und die Qualität der Versorgung infrage gestellt.

Patientensicherheit sollte explizites Ziel sein

Leider ist der Gesetzgeber der Forderung der Ersatzkassen, die Patientensicherheit als explizites Ziel in der Aus-, Fort- und Weiterbildung aufzunehmen, nicht nachgekommen. Auch wenn in der Begründung des Gesetzes klargestellt wird, dass auch das Thema „Patientensicherheit“ zu den Studieninhalten gehört, wäre hier ein klareres Bekenntnis seitens der Politik wünschenswert gewesen.

Zusammenfassend sind mit der vorliegenden Fassung der Reform der Psychotherapeutenausbildung wichtige Impulse für die zukünftige Ausbildung von Psychotherapeuten zu erwarten. Die Rolle des G-BA wird erfreulicherweise gestärkt. Das alles lässt darauf hoffen, dass die psychotherapeutische Versorgung der Versicherten weiterhin auf qualitativ hohem Niveau gesichert werden kann.

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