Digitalisierung im Gesundheitswesen

Digital Health: Gekommen, um zu bleiben

In Sachen Gesundheitspolitik blickt Deutschland auf vier ereignisreiche Jahre zurück. Damit ist bei Weitem nicht nur die Corona-Pandemie gemeint, denn gerade bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hat sich viel getan: Alte Muster wurden durchbrochen und viele neue Projekte auf den Weg gebracht. Viel zu tun bleibt weiterhin.

OP-Saal

Der „Digital-Health-Index“ der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 war ein Weckruf für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Denn mit einem unrühmlichen vorletzten Platz im internationalen Länder-Vergleich führte die Studie vor Augen, wie rückständig Deutschland in diesem Bereich abschnitt. Bemängelt wurden unter anderem Defizite beim sektorenübergreifenden Austausch von Gesundheits- und Sozialdaten sowie das Fehlen von elektronischer Gesundheitsakte und übergreifender E-Health-Strategie.

Bekäme diese Studie 2021 ein Update, so würde sie deutlich positiver ausfallen. Beispielsweise ist Deutschland mit der Einführung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) international Pionier und Vorbild und Inspiration für weitere Länder wie Frankreich oder Schweden. Zudem wurde im Zuge des Krankenhauszukunftsgesetzes ein großzügiges Investitionspaket geschnürt, mit dem die Kliniklandschaft hierzulande digital fit gemacht werden soll. Nicht zuletzt konnte die Vernetzung über die Telematikinfrastruktur vorangetrieben werden und sowohl die elektronische Patientenakte als auch das eRezept konnten große Fortschritte verzeichnen.

Etappenziel statt Ziellinie

Trotz allen Fortschritts befinden wir uns erst am Anfang der digitalen Reise. Der „eHealth Monitor“ der Unternehmensberatung McKinsey zeigt auf, dass fast alle Praxen in der hausärztlichen Versorgung an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind, aber noch immer 95 Prozent der Kommunikation zwischen Krankenhäusern und ambulanten Arztpraxen traditionell auf Papier erfolgt und sogar das Fax vielerorts noch längst nicht in den wohlverdienten Ruhestand geschickt wurde.

Bei all der Freude über das Erreichte: Die versprochenen Mehrwerte von eRezept, elektronischer Patientenakte und Co. sind noch nicht im Alltag der Bevölkerung angekommen. Vielen Bürgerinnen und Bürgern sind die Anwendungen sogar unbekannt. Der neuen Regierung fällt nun die Aufgabe zu, den Anwendungen das Fliegen beizubringen. Dafür muss ein konkreter Plan zusammen mit den Beteiligten entwickelt werden und nicht zuletzt um das Vertrauen in die Mehrwerte der Anwendungen bei Versicherten und Leistungserbringern geworben werden.

Die digitale Transformation umfasst aber weit mehr, etwa die Möglichkeiten der Datennutzung für eine systemisch bessere Gesundheitsversorgung. Die vergangenen Monate zeigten die Defizite deutlich auf. Die unzuverlässigen Angaben zu der Zahl der durchgeführten Impfungen oder den zur Verfügung stehenden Krankenhausbetten sorgten für Ärger und erschwerten die Bewältigung der Pandemie. Deutschland darf nicht von internationalen Daten abhängig sein, sondern sollte dazu in der Lage sein, seine eigenen Daten sicher und nutzenstiftend einzusetzen. Dafür braucht es eine klare Rechtslage, weniger Bürokratie und mehr Vertrauen in die Mehrwerte. Digitalisierung „made in Germany“ ist möglich. Die Industrie hat am Beispiel der Corona-Warn-App gezeigt, dass sie dazu in der Lage ist, Nutzen und Datenschutz auf hohem Niveau zu vereinen.

Wie geht es weiter?

Angesichts dieser Herausforderungen wird es der neuen Bundesregierung nicht an Aufgaben mangeln. Erste Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen stimmen hoffnungsvoll: Denn die „Ampel“ bekennt sich klar zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. So sollen elektronische Patientenakte, Telematikinfrastruktur und telemedizinische Anwendungen weiter ausgebaut werden. Geplant ist zudem eine E-Health-Strategie, die alle Maßnahmen bündelt und eine gemeinsame Richtung vorgibt. Damit könnte die Digitalisierung bald endlich eine langfristige Perspektive bekommen, statt sich immer von Legislaturperiode zu Legislaturperiode zu hangeln. Man darf also mehr als gespannt sein, was die Zukunft für Digital Health bereithält.

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