Schulungsvideos für pflegende Angehörige

Könnte es Sepsis sein?

Über 230.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich an einer Sepsis, mindestens 85.000 sterben daran. Die Mehrzahl dieser Todesfälle wäre durch eine frühzeitige Erkennung vermeidbar. Besonders pflegebedürftige Menschen sind gefährdet, eine Sepsis zu entwickeln, die im Volksmund auch Blutvergiftung genannt wird. Neue Schulungsvideos für pflegende Angehörige sollen das Erkennen einer Sepsis erleichtern.

Sepsis-Betroffene Adelheid Payer-Pechan

Nach einer Sepsis geht es für die Betroffenen darum, wieder langsam ins Leben zurückzukehren: Trotz ihrer Gehbehinderung nach überstandener Sepsis hat die Sepsis-Betroffene Adelheid Payer-Pechan wieder Freude am Leben gefunden.

Über 230.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich an einer Sepsis, mindestens 85.000 sterben daran. Die Mehrzahl dieser Todesfälle wäre durch eine frühzeitige Erkennung vermeidbar. Besonders pflegebedürftige Menschen sind gefährdet, eine Sepsis zu entwickeln, die im Volksmund auch Blutvergiftung genannt wird. Neue Schulungsvideos für pflegende Angehörige sollen das Erkennen einer Sepsis erleichtern.

Nur wer die Anzeichen einer Sepsis kennt, kann schnell und richtig handeln, denn Sepsis ist immer ein Notfall wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Genau hier setzen acht Schulungsvideos für pflegende Angehörige an, die in einer weiteren Kooperation des Verbandes der Ersatzkassen mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS), der Sepsis-Stiftung, dem Sepsisdialog der Universität Greifswald und der Sepsis-Hilfe e. V. im Rahmen ihrer Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis entstanden sind und der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz am 25. April 2023 vorgestellt wurden. Die neuen Schulungsvideos sind ein weiterer Baustein der seit zwei Jahren bestehenden Kampagne.

Was ist eine Sepsis, wie erkenne ich sie und was ist dann zu tun? Diesen und weiteren Fragen gehen die Schulungsfilme in einfühlsamer Weise nach, indem sie Sepsis-Überlebende und ihren Angehörigen ihre Geschichten erzählen lassen – ergänzt um die fachliche Perspektive von Experten. Der besondere Fokus dieser Filme liegt dabei auf der Gruppe der pflegebedürftigen Menschen. Wer chronische Vorerkrankungen hat oder Krebs, Eintrittspforten in den Körper wie zum Beispiel einen Katheter, künstliche Gelenke, Herzschrittmacher, offene Wunden wie einen Dekubitus oder wer unter Mangelernährung leidet, hat ein höheres Risiko an einer Sepsis zu erkranken. Wenn dann noch weitere Erkrankungen wie Demenz hinzukommen oder die Einnahme von Medikamenten erforderlich ist, die die Kognition oder das Schmerzempfinden beeinträchtigen können, wird es schwierig festzustellen, ob es sich bei den vorliegenden Anzeichen um eine Sepsis handelt. Genau hier kommen die Angehörigen ins Spiel, denn sie sind die Experten für ihre Familienmitglieder und sind am ehesten in der Lage zu sagen: „Hier stimmt was nicht.“

Wie wichtig es ist, die Gesundheitskompetenz der Angehörigen bei Sepsis zu verbessern, erzählen die Betroffenen in den Filmen. Denn auch (Not-)Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal erkennen nicht immer rechtzeitig die Anzeichen einer Sepsis. Gut informierte Angehörige können hier den entscheidenden Unterschied machen, indem sie auf Risikofaktoren sowie bestehende oder gerade vermeintlich überstandene Infektionen hinweisen. Denn eine Sepsis entsteht immer aus einer Infektion, egal ob diese durch Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten verursacht wurde. Des Weiteren hilft es, die Symptome zu benennen, auf unübliche Veränderungen hinzuweisen und im Idealfall auch gleich den Medikationsplan und den letzten relevanten Arzt- bzw. Entlassbericht parat haben. Und ganz wichtig – sich nicht abwimmeln zu lassen und direkt zu fragen: Könnte es Sepsis sein? Unterstützung bei der Einschätzung der Symptome findet man bei der Sepsis-Checkliste der Sepsis-Stiftung.

Die Schulungsvideos gehen auch auf die Folgen und die Nachsorgemöglichkeiten ein. Ähnlich wie bei Covid-19 haben auch Sepsis-Überlebende häufig mit Langzeitfolgen zu kämpfen und etwa ein Drittel wird neu pflegebedürftig. Hier braucht es die Angehörigen, die zunächst einmal selbst die Folgen einer Sepsis verstehen müssen und oft auch die Vermittlerrolle gegenüber den behandelnden Ärzten und Therapeuten haben. Es gibt ein breites Leistungsspektrum der Krankenkassen, um die Folgen im Einzelfall so gut es geht abzufangen – angefangen von stationärer Reha über Psychotherapie bis hin zur Verordnung von Physio-, Logo- und Ergotherapie.

Gerade bei älteren Menschen wird oft angenommen, dass schlechtes Erinnerungsvermögen, Sprach- und Kognitionsstörungen auf das Altern zurückzuführen sind. Dabei sind es oft typische Langzeitfolgen einer Sepsis, die mit gezielten Maßnahmen und Zeit deutlich abgemildert werden können. Diese Veränderungen den behandelnden Leistungserbringern zu kommunizieren, können gerade am Anfang des Genesungsprozesses oft nur die Angehörigen, die durch die Videos Unterstützung und Ermutigung erfahren.

Die Schulungsvideos für pflegende Angehörige sind auf deutschland-erkennt-sepsis.de sowie www.pflegelotse.de abrufbar.

„Mit den Videos möchten wir die Gesundheitskompetenz weiter stärken.“

Ulrike Elsner, vdek-Vorstandsvorsitzende

Von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden mehr als vier Millionen von ihnen nahestehenden Menschen zu Hause versorgt, zumeist von Familienangehörigen. Sie sind eine große Stütze der Gesellschaft und verdienen unseren Dank und unsere Unterstützung. Mit den Videos möchten wir ihre Gesundheitskompetenz weiter stärken und für die unterschätzte Gefahr einer Sepsis sensibilisieren.

vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner

„Medizinische Informationen sind wichtig für pflegende Angehörige.“

Dr. Ruth Hecker, APS-Vorsitzende

Pflegende Angehörige sind in besonderem Maße auf den Zugang zu leicht verständlichen, auf sie zugeschnittenen medizinischen Informationen angewiesen. Wir wissen, dass sie täglich vielen Herausforderungen und Problemen ausgesetzt und in schwierigen Situationen oft auf sich allein gestellt sind. Mit unseren Schulungsvideos wollen wir die Arbeit der pflegenden Angehörigen unterstützen.

Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. (APS)

„Neu aufgetretene Verwirrtheit ist ein viel zu wenig beachtetes Frühzeichen.“

PD Dr. Matthias Gründling, Leiter des Sepsisdialogs der Universitätsmedizin Greifswald

Ein viel zu wenig beachtetes Frühzeichen einer Sepsis ist eine neu aufgetretende Verwirrtheit. Für Außenstehende, beispielsweise den Rettungsdienst, ist es kaum möglich, dieses Zeichen richtig einzuschätzen. Hier sind die Angehörigen die Diagnostiker, denn sie kennen die Patientin oder den Patienten ganz genau. Deshalb ist es so wichtig, dass viele Menschen die Zeichen einer Sepsis kennen.

Dr. Matthias Gründling, Leiter des Projektes Sepsisdialog der Universitätsmedizin Greifswald

„Sonderetat des Bundestages zur Aufklärung über Sepsis ist unerlässlich.“

Prof. Dr. Konrad Reinhart, Vorstandsvorsitzender der Sepsis Stiftung

Angesichts der immensen Zahl an vermeidbaren Todesfällen durch Sepsis ist die Finanzierung einer Aufklärungskampagne zur Vorbeugung und Früherkennung von Sepsis durch einen Sonderetat des Bundestags, analog zu sexuell übertragbaren Krankheiten, unerlässlich.

Prof. Dr. Konrad Reinhart, Vorstandsvorsitzender der Sepsis-Stiftung

Richtiges Verhalten bei Verdacht auf Sepsis

  • Notruf wählen: 112 oder 116 117
  • auf Infektion hinweisen und Symptome schildern
  • Verdacht sofort äußern: „Könnte es Sepsis sein?“
  • schildern, wie stark der aktuell beobachtete Zustand vom Normalzustand der betroffenen Person abweicht
  • auf besondere Risikofaktoren hinweisen, z. B. auf Immunschwäche, bekannte Vorerkrankungen, Katheter oder offene Wunden
  • vorherige Arztberichte und gegebenenfalls Medikationsplan griffbereit haben
  • sich nicht „abwimmeln“ lassen

#DeutschlanderkenntSepsis – Jede:r kann Leben retten!

Logo der Konferenz: #DeutschlanderkenntSepsis – Jede:r kann Leben retten!

Am 11. Mai 2023 haben die Partner von #DeutschlandErkenntSepsis unter dem Motto „Jede:r kann Leben retten“ zu einem Austausch eingeladen. Der Tag stand im Zeichen der Sepsis, die aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wurde. Betroffene gaben eindringliche Fallberichte ab, die alle miteinander gemeinsam hatten, dass am Anfang der Diagnosestellung eine Sepsis nicht in Betracht gezogen wurde – mit erheblichen gesundheitlichen Langzeitfolgen für die Betroffenen. In sehr schweren Fällen kann eine Sepsis auch zum Tod führen. In der hochkarätig besetzten Expertendiskussion, an der unter anderem Ulrike Elsner (Vorstandsvorsitzende des vdek), Dr. Janosch Dahmen (Leiter der AG Gesundheit der Grünen) und Prof. Dr. Andrew Ullmann, MdB (Obmann im Gesundheitsausschuss) teilnahmen, wurden die Herausforderungen einer erfolgreichen Aufklärungskampagne beleuchtet. Einigkeit bestand darin, dass neben einer Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) etwa beim Thema Impfungen die Gesundheitskompetenz der gesamten Bevölkerung verbessert werden müsse. Eine besondere Herausforderung ist dabei, Menschen bei „Bagatellerkrankungen“ von den Notaufnahmen in niedrigschwellige Behandlungsangebote umzuleiten, sie aber gleichzeitig bei Verdacht auf Sepsis zu ermutigen, die Notaufnahme aufzusuchen. Einen Mitschnitt der Veranstaltung finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Kampagne.

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