Engagement des vdek

Gesundheitsförderung für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Wie können Prävention und Gesundheitsförderung für alle Menschen greifbar werden? Wie lassen sich dafür geeignete Strukturen in den Alltag integrieren? Die Antwort liegt nahe: Angebote und Strukturen sollten immer in der Lebenswelt der Menschen ansetzen und gemeinsam entwickelt und etabliert werden. Das Engagement des vdek setzt genau dort an. Entwickelt und erprobt werden gemeinsam mit den Menschen vor Ort gesundheitsfördernde Ansätze – immer mit dem Ziel der gesundheitlichen Chancengleichheit. Denn: Alle sollen die gleichen Möglichkeiten und Zugänge zu präventiven und gesundheitsfördernden Angeboten haben.

Illustration: Gesundheitsförderung
Logo_Gesunde_Lebenswelten

Die Ersatzkassen Techniker Krankenkasse (TK), die BARMER, DAK-Gesundheit, die KKH Kaufmännische Krankenkasse, die hkk – Handelskrankenkasse und die HEK – Hanseatische Krankenkasse und der vdek setzen unter der Dachmarke „Gesunde Lebenswelten“ deutschlandweit verschiedene Aktivitäten für Menschen um, die bislang mit Maßnahmen zur Gesundheitsförderung weniger erreicht worden sind. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf Projekten und Angeboten von und mit Menschen mit Lernschwierigkeiten. Dabei liegt der Fokus stets auf der gemeinsamen Entwicklung und der Orientierung an den Bedarfen aller Beteiligten.

Ein Beispiel für ein solches partizipatives Projekt von und mit Menschen mit Lernschwierigkeiten ist das Projekt „Gesundheit einfach machen.“ in Zusammenarbeit mit der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB), der Hochschule Bielefeld und dem nexus Institut. Praxispartner im Projekt sind drei Wohn- und Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die sich mit Unterstützung einer sogenannten Fachberaterin für Organisationsentwicklung zunächst folgenden Fragen widmen: Wie ist unsere Einrichtung in puncto Prävention und Gesundheitsförderung aufgestellt? Was haben wir bereits und was fehlt konkret an Angeboten und welche Wünsche und Bedürfnisse gibt es? Ziel des Engagements vor Ort ist es, Gesundheit einrichtungsintern nachhaltig zum Thema zu machen. „Gesundheit einfach machen“ ist hier die Devise.

Das Projekt verfolgt das wissenschaftliche Ziel, einen Beratungsprozess zu entwickeln, der sich an den individuellen Bedarfen vor Ort orientiert und zugeschnitten ist auf die Besonderheiten in Wohn- und Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Dabei ist es wichtig, immer wieder die Praxis miteinzubeziehen: Der systemische Blick auf die Gestaltung von Gesundheit als übergeordnetes Konzept ist Aufgabe des gesamten Projekt-Teams. Damit die durch die Theorie fundierten Ansätze auch zu den Einrichtungen und deren Strukturen passen, werden sie mit einem (inklusiven) Gesundheitsteam und einer Gesundheitskoordination beraten, gestaltet und gesteuert. So kann sichergestellt werden, dass der Blick der Fachberaterin von außen Hand in Hand mit den Anforderungen der Einrichtung einhergeht.

Infografik: Der gesundheitsfördernde Fachberatungsprozess

Der Erfolg des Projektes: Die Analyse und Beschäftigung mit dem Thema Gesundheitsförderung und Prävention sorgen für Impulse, an welchen Stellen angesetzt werden kann. Was Projekte auch erfolgreich macht: die Nachhaltigkeit. So münden bundesweit verschiedene vdek-Projekte und deren Erkenntnisse in ein fundiertes Maßnahmenportfolio, aus welchem qualitätsgesicherte Maßnahmen flexibel abgerufen werden können. Vorbereitung Strukturaufbau Analyse Maßnahmenplanung Umsetzung (+ Evaluation) Auch im hier beschriebenen Projekt wird das Maßnahmenportfolio als Inspiration zur Umsetzung von gesundheitsfördernden Aktivitäten genutzt.

Ein Blick in die praktische Umsetzung

Seit Anfang 2022 ist eine Berliner Wohnstätte für behinderte Menschen einer der drei Praxispartner im Projekt „Gesundheit einfach machen.“ Die Frage „Was können wir in unserer Einrichtung für mehr Gesundheit tun?“ war die Leitfrage bei der Gründung eines Gesundheitsteams vor Ort. Das Gesundheitsteam setzt sich aus fünf Bewohner:innen und drei Betreuer:innen zusammen. Eine interne Gesundheitskoordinatorin war schnell gefunden und in monatlichen Treffen wurde der Frage systematisch mit Unterstützung durch die Fachberaterin der KHSB nachgegangen.

Im Gesundheitsteam wurde über gesunde Ernährung, Entspannung und Bewegung gesprochen, aber auch über ungesunde Angewohnheiten, Stress und Konflikte. Es wurde gelernt, diskutiert und gelacht, Obst und Gemüse verkostet, Bewegungs- und Entspannungsübungen gemacht. Nach dem ersten Kennenlernen und Schulungen zu Gesundheitsthemen schloss sich die Analysephase an. Hier wurde eine Befragung durchgeführt, an der sich über die Hälfte der Bewohner:innen beteiligte. Um an der Befragung teilzunehmen, war es von Bedeutung, die Unterstützung durch die betreuenden Personen zu berücksichtigen.

Und das sagt die Praxis: „Herausfordernd war der anfängliche Widerstand aus dem Personal bezüglich Zeit für die Durchführung (der Befragung). Es gab Zweifel an der Kompetenz der Wohnenden. Durch viel persönliche Ansprache und Einbezug der Leitungen gab es letztendlich ein gutes Ergebnis über das Erwartungsgemäße hinaus“, stellt die Gesundheitskoordinatorin der Einrichtung fest.

Darüber hinaus führte die Gesundheitskoordinatorin Gespräche mit den Leitungen an den Standorten und fragte, welche gesundheitsbezogenen Angebote es bereits gibt und welche ihrer Meinung nach fehlen. Auch das Gesundheitsteam war daran beteiligt. Alle Ergebnisse aus der Analysephase flossen in einem hauseigenen Gesundheitsbericht zusammen. Auf Grundlage dieses Berichts wurden in einem Planungsworkshop Themen ausgewählt und es entstand ein Plan für die konkrete Umsetzung von Maßnahmen.

Ein erster großer Meilenstein ist, Gesundheitsthemen in der hauseigenen Jubiläumswoche im Sommer 2023 zu platzieren. Eingebettet ins Programm werden zum Beispiel vier gesundheitsfördernde GESUND!-Seminare für die Bewohner:innen. Weitere Maßnahmen sind in Planung: In der hauseigenen Zeitung wird es einmal im Quartal eine Seite in einfacher Sprache für Gesundheitsthemen geben. Dort werden dann die weiteren Angebote beworben – etwa ein Sportkurs, der ab Herbst 2023 stattfinden soll. Die Gesundheitskoordinatorin wird sich zum Thema Gesundheitsförderung fortbilden und plant für interessierte Mitarbeiter:innen kleine Vorträge in den Teamsitzungen. Das Ziel ist, langfristig am Ball zu bleiben.

Weitere Projekte

Cover: 2. GESUND!-Praxishilfe

Aus der Praxis für die Praxis: Eine neue GESUND!­-Praxishilfe

Eine neue GESUND!­ Praxishilfe Aus einem Peer-to-Peer-Projekt der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) von Menschen mit Lernschwierigkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten ist in Kooperation mit dem vdek eine neue „GESUND!“-Praxishilfe entstanden. Gesundheitsförderndes Wissen zu den Themen Herzgesundheit, gesundes Essen und Trinken sowie Entspannung ist in der Praxishilfe niedrigschwellig und spielerisch in Form von vier Seminaren aufbereitet. Die Praxishilfe steht auf der „Gesunde Lebenswelten“-Website zum Download bereit. Zusätzlich zur aktuellen Praxishilfe bietet der vdek in Kooperation mit der KHSB Online-Seminare für Fachkräfte der Behindertenhilfe an. Die Seminare geben den Teilnehmer:innen Hilfestellung zur Umsetzung der Lerninhalte.

Logo: Projekt „Gesund leben“

Gesund leben: Besser so wie ich es will!

In Nordrhein-Westfalen gestalten Menschen mit Lernschwierigkeiten gemeinsam mit Expert:innen ihre Lebenswelt gesundheitsfördernd. Das ist der Fokus des vdek-Projekts „Gesund leben: Besser so, wie ich es will!“. Seit 2019 haben Forscher:innen des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten gesundheitsfördernde Bewegungs- und Ernährungsangebote entwickelt und getestet. Dazu wurden ein Netzwerk mit den Menschen mit Lernschwierigkeiten, Vertreter:innen aus der Eingliederungshilfe und dem Sozialraum aufgebaut und gemeinsam Veränderungsansätze erarbeitet. Nach Abschluss des Projektes werden die Ergebnisse in Maßnahmen- und Verfahrenskatalogen zur Verstetigung der entwickelten Angebote zusammengeführt. Die Kataloge werden als Druckversion und Digitalversion verfügbar sein, sodass sie von möglichst vielen Menschen genutzt werden können. rs

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. (3. Ausgabe 2023)