Die deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger im Alter von 18 bis 70 Jahren (62 Prozent) hält das deutsche Gesundheitswesen anfällig für Betrug und Korruption. 18 Prozent davon stufen es sogar als sehr anfällig ein. Das ist das Ergebnis einer forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse.
Wie richtig die Befragten mit ihrer Einschätzung liegen, zeigen neueste KKH-Daten. Demnach entstand der Kranken- und Pflegeversicherung der Ersatzkasse durch Betrug, Korruption oder Urkundenfälschung allein 2023 ein Schaden von rund 3,5 Millionen Euro ( Abb. Seite 47). Das ist eine der höchsten Gesamtschadenssummen seit Gründung der bundesweit ersten Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der KKH vor 23 Jahren. Den größten Schadenswert verursachten im vergangenen Jahr ambulante Pflegedienste mit rund 1,9 Millionen Euro, gefolgt von Apotheken mit gut einer Million Euro. Dank detektivischer Puzzlearbeit des KKH-Ermittlerteams konnten 2023 bei den Geldeingängen rund 1,25 Millionen Euro an Regressforderungen verbucht werden, so viel wie nie zuvor.
Ob Pseudo-Pflegepersonal eingesetzt, Arzneien gepanscht oder nie erfolgte Behandlungen abgerechnet werden: Betrug und Korruption ziehen sich quer durch alle Leistungsbereiche des Gesundheitssystems – von Arztpraxen und Apotheken über Pflegeeinrichtungen, Kranken- und Sanitätshäuser bis hin zu Praxen für Physio- und Ergotherapie. Allein im zurückliegenden Jahr gingen bundesweit 553 neue Hinweise auf möglichen Betrug bei der KKH-Prüfgruppe Abrechnungsmanipulation ein. Die meisten davon betreffen die ambulante (179) und die stationäre Pflege (167). Damit gehen rund zwei Drittel aller Neufälle auf das Konto von Pflegeeinrichtungen. Rang drei belegen Krankengymnastik- und Physiotherapiepraxen mit 74 Hinweisen.
Die reinen Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stiegen 2022 auf den Höchstwert von 274,2 Milliarden Euro. Das weckt bei manch einem Begehrlichkeiten, sich ein Stück vom „Milliardenkuchen Gesundheitssystem“ abzuschneiden. „Dabei gehen die wenigen ‚schwarzen Schafe‘ teils skrupellos vor, gefährden mitunter sogar Menschenleben, um illegal hohe Summen einzustreichen. Durch solche Machenschaften schwindet nicht zuletzt das Vertrauen in die qualitativ gute Gesundheitsversorgung in unserem Land“, sagt KKH-Chefermittler und Jurist Emil Penkov. Er hat am 1. Juni dieses Jahres die Nachfolge von Dina Michels angetreten, die die Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich geprägt hat.
Straftaten aufzudecken und zu verfolgen, ist ein komplexes Unterfangen. Penkov fokussiert sich seit geraumer Zeit auch auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Hier sieht er enormes Potenzial für die Arbeit der Stellen zur Fehlverhaltensbekämpfung, um Abrechnungsdaten zusammenführen und kassenübergreifend prüfen zu können. „Die KKH wirkt an einem Pilotprojekt der BITMARCK mit. Und wir haben eine Vereinbarung mit dem Fraunhofer-Institut initiiert, um Abrechnungsanomalien künftig noch besser aufdecken sowie effektiver und effizienter bekämpfen und verhindern zu können. Bewähren sich datenbasierte Verfahren mittels KI-Algorithmen, könnten sie von allen Kassen im Kampf gegen die typischen Straftaten im Gesundheitswesen wirkungsvoll angewendet werden.“ Dann könnten noch mehr Betrugsfälle durch akribische Ermittlungsarbeit aufgedeckt, vor Gericht gebracht, rechtskräftige Verurteilungen erzielt und somit mehr Täter zur Verantwortung gezogen werden.
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