GKV-Finanzen

Zurück zu einnahmeorientierter Ausgabenpolitik nötig

Für das aktuelle und kommende Jahr zeichnen sich finanzielle Herausforderungen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ab. Zusätzliche finanzielle Belastungen für die GKV entstehen durch die laufenden gesundheitspolitischen Gesetzesvorhaben. Was bedeutet dies für die Finanzentwicklung in 2025 und wie sollte darauf reagiert werden?

Illustration: Finanzierung

Die Finanzlage der GKV ist weiterhin sehr angespannt. Im 1. Quartal 2024 ergab sich ein hohes Defizit von 776 Millionen Euro. Dementsprechend haben bereits 15 Krankenkassen unterjährig ihren Zusatzbeitragssatz angehoben, sechs weitere werden zum August 2024 ihren Zusatzbeitrag erhöhen. Diese Entwicklung ist seit Einführung der Zusatzbeitragssätze in 2015 einzigartig. Normalerweise haben innerhalb eines Jahres durchschnittlich vier Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag erhöht oder abgesenkt.

Diese Entwicklung kommt nicht überraschend, ist sie doch unter anderem durch eine verfehlte Finanz- beziehungsweise Gesundheitspolitik der Ampelregierung wie auch der Vorgängerregierung bedingt. Seit Jahren warnen die Krankenkassen vor der teuren Gesundheitsgesetzgebung (zum Beispiel Terminservice- und Versorgungsgesetz, Pflegepersonal-Stärkungsgesetz oder Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz), mit der Leistungen ausgeweitet oder Preise etwa für ärztliche Leistungen erhöht werden, ohne dass für eine solide Gegenfinanzierung gesorgt wurde. Dies führt dazu, dass die Ausgaben kontinuierlich und mit zunehmender Dynamik steigen, während die Einnahmen nicht in gleichem Maße zunehmen. So stiegen die Gesamtausgaben von 2013 auf 2023 um fast 60 Prozent von 194 Millionen Euro auf 306 Millionen Euro, durchschnittlich um 4,7 Prozent pro Jahr. Dagegen nahmen die beitragspflichtigen Einnahmen, die 90 Prozent der Gesamteinnahmen darstellen, im gleichen Zeitraum nur um knapp 40 Prozent und im Durchschnitt um 3,4 Prozent pro Jahr zu.

Für 2025 wird nach aktuellen Schätzungen ein weiterer Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,5 bis 0,7 Prozentpunkte ohne Berücksichtigung der aktuellen Gesetzesvorhaben erwartet. Dieser Anstieg ist vor allem durch Preis-, Struktur- und Mengensteigerungen bedingt, darunter vermehrt hochpreisige Arzneimittel oder hohe Preissteigerungen im Krankenhaus- und Heilmittelbereich.

Aktuelle Gesetzesvorhaben mit weiteren beitragssatzrelevanten Mehrausgaben

Neben der preis- und mengenbedingten Ausgabensteigerung in 2025 sind weitere Mehrausgaben durch die aktuellen Gesetzesvorhaben zu erwarten. Dies betrifft vor allem das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) und das Medizinforschungsgesetz (MFG).

Darunter würde das KHVVG zu den höchsten Mehrausgaben für die GKV führen. Allein der Transformationsfonds, mit dem die Umstrukturierung des Krankenhauswesens finanziert werden soll, würde die GKV bis zu 25 Milliarden Euro kosten, verteilt auf jährlich 2,5 Milliarden Euro von 2026 bis 2035. Zusätzlich sollen ab 2024 Tariflohnsteigerungen der Krankenhäuser frühzeitig und vollständig durch unterjährige Neuvereinbarungen des Landesbasisfallwerts refinanziert werden (jährlich 350 Millionen Euro). Ab 2025 soll der bisherige anteilige Orientierungswert durch den vollen Orientierungswert ersetzt (Höhe der Mehrausgaben abhängig vom Grundlohnwert) und Zuschläge für spezifische Bereiche wie die Pädiatrie oder Intensivmedizin verlängert beziehungsweise eingeführt werden (2025: 378 Millionen Euro; ab 2027: mindestens 705 Millionen Euro). Weitere hohe Mehrausgaben werden ab 2027 durch den Wegfall der Einzelfallprüfung von Krankenhausrechnungen und der Einführung der Stichprobenprüfung entstehen.

Aus Finanzsicht verursacht beim GVSG die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen die höchsten Mehrausgaben in Höhe von jährlich 500 Millionen Euro. Die Einführung zusätzlicher ambulanter Niederlassungsmöglichkeiten für Kinderärzt: innen sowie -psychotherapeut:innen führt zu jährlichen Mehrausgaben in Höhe eines niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrags ab 2026. Das MFG hätte in seiner ursprünglichen Fassung zu sehr hohen Mehrausgaben geführt, indem vertrauliche Erstattungspreise für patentgeschützte Arzneimittel eingeführt werden. Auf Basis der Änderungsanträge wird es voraussichtlich weitgehende Anpassungen geben, wodurch vertrauliche Erstattungspreise nur in begrenztem Umfang umgesetzt würden. Dadurch würden sich die geschätzten Mehrausgaben für die GKV deutlich reduzieren. Insgesamt führen die drei Gesetzesvorhaben zu einer weiteren Belastung der GKV in Milliardenhöhe. Alleine dadurch würde der durchschnittliche Zusatzbeitrag um mindestens 0,1 Prozentpunkte in 2025 steigen. Für die Folgejahre müsste mit weiteren hohen Mehrausgaben gerechnet werden. Politisches Umdenken notwendig Die aktuellen Finanzergebnisse und die Aussicht auf 2025 sollten die Politik endlich wachrütteln. Der Gesetzgeber hat für 2025 außer dem regulären Bundeszuschuss keine Stabilisierungsmaßnahmen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite vorgesehen. Nach aktuellen Schätzungen würde für 2025 unter Berücksichtigung der laufenden Gesetzesentwürfe ein weiterer Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,6 bis 0,8 Prozentpunkte erfolgen. Die Politik muss endlich grundlegende Reformen angehen, die zu einer soliden und nachhaltigen Finanzierung der GKV führen. Auf der Einnahmenseite sollte die Politik, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, den Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen dynamisieren und eine kostendeckende Finanzierung der Bürgergeldempfänger:innen einführen. Gleichzeitig benötigen wir auf der Ausgabenseite dringend eine Rückbesinnung auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Versorgung und damit eine Rückkehr zu einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik.

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