Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz

Effiziente Versorgungsstrukturen wichtiger denn je

Beim Covid-19-Virus handelt es sich um ein neues, noch unerforschtes Virus, das im Ausland innerhalb kurzer Zeit zu extrem hohen Krankheits- und Sterbefällen geführt hat. Nachdem die Fallzahlen von Corona-Patientinnen und -Patienten auch in Deutschland stetig angestiegen waren, stand die Politik unter Druck und hat mit der Schaffung des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes im Frühjahr 2020 sofort reagiert.

Das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz soll die stationäre Versorgung der Bevölkerung im Rahmen der Corona- Pandemie sicherstellen. Es verlangt nicht nur den Steuer- und Beitragszahlern einiges ab; es enthält auch sehr knappe Umsetzungsfristen, die alle Akteure im Gesundheitswesen vor enorme und nie da gewesene Herausforderungen stellen. Die Krankenhäuser wurden dazu verpflichtet, planbare Operationen und Eingriffe zu verschieben und Intensivbetten aufzustocken, um die Behandlungskapazität zu erhöhen und eine Überfüllung der Krankenhäuser im Zuge der Corona-Pandemie zu vermeiden. Für jedes leer stehende Bett erhalten Krankenhäuser im Zeitraum vom 16. März bis zum 30. September 2020 eine Pauschale in Höhe von 560 Euro pro Tag. Die Ausgleichszahlung erfolgt aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und wird aus Steuermitteln refinanziert. Zudem erhalten Krankenhäuser für jedes zusätzlich geschaffene Intensivbett einen Betrag in Höhe von 50.000 Euro. Diese Kosten werden ausschließlich aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert, wobei auch hier eine Refinanzierung aus Steuermitteln sachgerecht wäre, da es sich primär um Investitionskosten handelt.

Nach dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz können vollstationäre Krankenhausbehandlungen auch in weiteren Einrichtungen durchgeführt werden. So können auch Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nach § 22 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 30. September 2020 vollstationäre Krankenhausleistungen erbringen. Zudem haben viele Bundesländer Allgemeinverfügungen erlassen, die die Etablierung von Behelfskrankenhäusern (zum Beispiel in Form von Hotels) und die Zulassung von Privatkliniken (im Sinne von § 30 Gewerbeordnung – GewO) zur Versorgung vorsehen. Darüber hinaus haben Länder wie Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen Covid-19-Versorgungskonzepte erstellt, die Maßnahmen und Eskalationsstrategien im Umgang mit der Pandemie enthalten.

Rolle der Ersatzkassen

Das Nebeneinander verschiedener Maßnahmen führt zu unterschiedlichen Konstellationen und Voraussetzungen in der Krankenhausversorgung, -finanzierung und -abrechnung. Daher haben die Ersatzkassen den Dialog mit den Ländern gesucht und Lösungen angeboten, die die Konzepte der Länder bürokratie- und aufwandsarm umsetzen können. Aus Sicht der Ersatzkassen ist bei der stationären Versorgung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten zwingend eine „Versorgungskaskade“ sicherzustellen. Danach muss die Versorgung zunächst immer in zugelassenen Krankenhäusern erfolgen, wobei vorhandene Krankenhauskapazitäten zwingend auch bundeslandübergreifend auszuschöpfen sind. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Kliniken in qualitativer Hinsicht am besten für die Behandlung ausgerüstet sind. Erst dann können die zugelassenen Reha-Kliniken in Anspruch genommen werden. Reha-Einrichtungen sind lediglich zur medizinisch-pflegerischen Versorgung ausgestattet (wie zum Beispiel Personal, Wundbehandlung, Mobilisation, Inhaliergeräte). Operative Behandlungen sollen hier nicht durchgeführt werden. Zur Vergütung dieser Fälle sieht das Gesetz eine Vereinbarung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG) und dem GKV-Spitzenverband nach § 22 Absatz 2 KHG bis zum 26. April 2020 vor, wonach Pauschalbeträge und das Nähere zum Verfahren der Abrechnung vereinbart werden sollen. Diese Vereinbarung wurde von der gemeinsamen Selbstverwaltung in einer Hauruck-Aktion umgesetzt.

Erst wenn auch die Reha-Kapazitäten ausgelastet sein sollten, kann eine temporäre Versorgung in sogenannten Behelfskrankenhäusern erfolgen. Diese können in neu erbauten oder bereits vorhandenen Gebäuden (zum Beispiel in Messe- und Turnhallen) eingerichtet werden. Die lediglich mit Pflegebetten und sogar Feldbetten ausgestatteten Behelfskrankenhäuser sind nur für die Behandlung leichter Covid-19- Fälle, Covid-19-Verdachtsfälle und andere leichtere stationäre Fälle gedacht. Erst wenn sich die Pandemie weiter verschärfen sollte und alle vorhandenen Kapazitäten ausgeschöpft sind, ist eine Belegung in privaten Kliniken mit Zulassung nach § 30 Gewerbeordnung denkbar.

Diese Versorgungskaskade resultiert aus den Regelungen des Gesetzgebers zum COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz. Demnach können die Länder Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen bestimmen, in denen Patientinnen und Patienten stationär behandelt werden können – sofern sie dafür die notwendigen Voraussetzungen (zum Beispiel einen Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V) erfüllen. Der Gesetzgeber stellt hier u. a. auf die hohen Hürden eines Versorgungsauftrages ab, über den Behelfskrankenhäuser gerade nicht verfügen. Zudem hat er von einer gesetzlichen Schaffung sogenannter Behelfskrankenhäuser auch angesichts der stetig steigenden Corona-Fallzahlen bewusst abgesehen. Damit möchte er sicherstellen, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung auch in der Pandemie erfolgt. Eine solche dürfte in Behelfskrankenhäusern naturgemäß, allein aufgrund der geringeren Infrastruktur und des weniger qualifizierten Personals, nicht gegeben sein.

Die Versorgung in einem Behelfskrankenhaus kann zum Beispiel dem Qualitätsgebot nach § 2 KHG nicht in vollem Umfang gerecht werden. Insofern ist auch die Patientensicherheit nicht in dem Maße wie in einem zugelassenen Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung gewährleistet. Deshalb kann eine Behandlung in einem Behelfskrankenhaus aus Gründen der Patientensicherheit nur nachrangig erfolgen. Dies dürfte auch der Grund sein, warum diese Versorgungskaskade auch in den Konzepten einiger Länder, wie zum Beispiel in Thüringen, vorgesehen ist.

Ausblick

Die Fallzahlen der Covid-19-Patientinnen und -Patienten sind stark gesunken, sodass der reguläre Betrieb der Krankenhäuser wieder langsam hochgefahren werden kann. Das Schlimmste scheint überstanden zu sein; die kurzfristigen Krisenmanagement-Maßnahmen des Gesetzgebers waren erfolgreich. Damit stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse wir aus dieser Krise gewinnen und wie wir uns langfristig aufstellen wollen, um die Krankenhausstrukturen zukunftssicher zu gestalten – und das nicht nur, um auf eine weitere Krise vorbereitet zu sein. Die Coronakrise hat gezeigt, dass Krankenhauskapazitäten kurzfristig „freigeschaufelt“ und auch Intensivbetten bei Bedarf in Rekordzeit aufgebaut werden können. Planbare Operationen konnten verschoben werden. Nach der Pandemie müssen die hieraus gewonnenen Erkenntnisse bei den Versorgungsnotwendigkeiten in eine Neustrukturierung der Krankenhausversorgungslandschaft einfließen. Effiziente Versorgungsstrukturen werden nach der Pandemie dringender denn je notwendig sein. Die Beitrags- und Steuermittel werden nach der Pandemie langfristig fehlen, um eine Fehl- und Überversorgung noch finanzieren zu können.

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