Im Eiltempo hat auch das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ das parlamentarische Verfahren passiert. Nachdem der Bundestag es am 14. Mai 2020 beschlossen hatte, gab der Bundesrat bereits tags darauf grünes Licht. Ziel des neuen Gesetzes ist, die im ersten Bevölkerungsschutzgesetz und im COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz getroffenen Regelungen weiterzuentwickeln.
Im Mittelpunkt des zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes stehen der verstärkte Kampf gegen das Coronavirus, besserer Infektionsschutz und weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die Abfederung ihrer finanziellen Folgen und der Schutz besonders gefährdeter Personen. Das Gesetzespaket teilt sich in eine Vielzahl von Einzelregelungen, die sich unter folgende Oberbegriffe ordnen lassen und im Anschluss bewertet werden:
• Infektionsschutz
• Testung auf Covid-19
• Krankenhausbereich
• Pflegeversicherung
• Gesundheitsberufeausbildung
Mit dem Gesetz wird das Infektionsschutzgesetz weiterentwickelt und teilweise präzisiert. Unter anderem wird dauerhaft eine gesetzliche Meldepflicht für alle Verdachts-, Krankheits- und Todesfälle im Kontext mit der Lungenkrankheit Covid-19 verankert. Dies betrifft auch neu eingeführte Meldepflichten bei negativen Labortests, sogenannte Negativmeldungen. Die Bundesregierung verspricht sich davon eine verbesserte Erkenntnis über das Ausbruchsgeschehen in Deutschland. Zudem wird der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), für den die Länder und Kommunen zuständig sind, durch Maßnahmen des Bundes während der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unterstützt. Hierunter fallen zum Beispiel personelle Unterstützung oder technische Ausstattungen durch den Bund. Insgesamt erscheinen die Maßnahmen im Bereich des Infektionsschutzgesetzes geeignet, die Pandemielage besser zu beherrschen. Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) hat diese gesetzlichen Anpassungen nicht kritisiert.
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Durch das Gesetz kann das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) per Rechtsverordnung regeln, dass sowohl Versicherte als auch Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert sind, Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben. Voraussetzung ist, dass entsprechende Testungen nicht Bestandteil einer Krankenbehandlung sind. Die Aufwendungen für die Testungen werden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlt. Der GKV-Spitzenverband hat das Recht auf Stellungnahme. In der Verordnung sind die Details zu den Leistungserbringern, zur Vergütung und zur Abrechnung der Tests sowie zum Zahlungsverfahren zu regeln. Der vdek hat die Regelung kritisiert. Aus Sicht der Ersatzkassen handelt es sich bei der flächendeckenden Testung der Bevölkerung auf eine Infektion mit dem Coronavirus um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Katastrophenschutzes – und sollte daher nicht zulasten der GKV-Gemeinschaft gehen, sondern aus Steuern finanziert werden. Im Gesetz wurde geregelt, dass die Kosten, die den Krankenhäusern für Testungen auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei Patientinnen und Patienten entstehen, durch ein Zusatzentgelt von den Krankenkassen finanziert werden. Diese Regelung gilt sowohl für voll- als auch für teilstationäre Krankenhausbehandlungen. Trotz der damit verbundenen Mehrkosten für die Krankenkassen erscheint diese Regelung vor dem Hintergrund des notwendigen Infektionsschutzes sachgerecht. Darüber hinaus wurde geregelt, dass in Krankenhäusern, die Patientinnen und Patienten mit einer Infektion mit dem Coronavirus oder mit dem Verdacht auf eine entsprechende Infektion behandeln, die Einhaltung bestimmter Mindestmerkmale des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) vorübergehend von der Prüfung der Abrechnung ausgenommen werden. Zudem wurde die Einführung des Prüfquotensystems in den Krankenhäusern, welches mit dem MDK-Reformgesetz festgelegt wurde, um ein Jahr auf das Jahr 2022 verschoben. Diese Maßnahmen bewertet der vdek als angemessen. Um die Überprüfung der Auswirkungen der mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz beschlossenen Maßnahmen auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser auf einer aussagekräftigen und belastbaren Informationsgrundlage durchführen zu können, wurde zudem die Einführung einer dafür erforderlichen Datenübermittlung beschlossen. Diese Maßnahme wird von den Ersatzkassen begrüßt.
Kritisch bewerteten die Ersatzkassen die Regelungen zum Pflegeentgeltwert im verabschiedeten Gesetz. Den Krankenhäusern wird der in der Coronakrise angehobene Pflegeentgeltwert von 185 Euro bis zum Jahresende 2020 zugesichert. Kommt es zu einer Überdeckung der Pflegepersonalkosten, verbleiben die Mittel aus dem Pflegeentgeltwert dem Krankenhaus und es sind für das Jahr 2020 keine Ausgleichszahlungen zu leisten. Mit dem Gesetz wird der Rettungsschirm für anerkannte Pflegeeinrichtungen erweitert. Den anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag werden die ihnen bis zum 30. September 2020 infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 anfallenden, außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen im Rahmen ihrer Leistungserbringung, die nicht anderweitig finanziert werden, aus Mitteln der Pflegeversicherung erstattet. Für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 wird die Inanspruchnahme des sogenannten Entlastungsbetrages vereinfacht, da bis Ende September 2020 die Begrenzung auf Leistungen der Tagespflege, Kurzzeitpflege, ambulanten Pflegedienste oder Angebote zur Unterstützung im Alltag aufgehoben wird. Leistungen können in diesem Zeitraum auch durch andere professionelle Angebote oder nachbarschaftliche Hilfen erbracht werden. Der Entlastungsbetrag kann auch für die Leistungserbringung durch Pflegedienste eingesetzt werden.
Des Weiteren wird die Ansparmöglichkeit von nicht in Anspruch genommenen Entlastungsbeträgen erweitert, indem die Übertragbarkeit solcher Ansprüche aus dem Jahr 2019 nicht nur bis 30. Juni, sondern bis zum 30. September 2020 ermöglicht wird. Diese Regelung soll für alle Pflegebedürftigen gelten. Pflegeeinrichtungen sowie die Arbeitgeber in der Pflege, die im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Pflegeeinrichtungen beschäftigen, werden verpflichtet, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 eine gestaffelte Sonderleistung (Corona-Prämie) in Höhe von bis zu 1.000 Euro zu zahlen. Die Beschäftigten erhalten damit einen Anspruch auf eine entsprechende Corona-Prämie. Die Prämie ist bis zu einer Höhe von 1.500 Euro steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei, sodass sie unter diesen Rahmenbedingungen von den Ländern und den Arbeitgebern in der Pflege bis zu diesem Betrag aufgestockt werden kann. Die private Krankenversicherung (PKV) wird nicht an der Finanzierung beteiligt. Der vdek hat dies kritisiert und eine Beteiligung der PKV in Höhe von zehn Prozent gefordert. Ebenso haben die Ersatzkassen eine verbindlich geregelte Gegenfinanzierung durch Steuermittel gefordert, dem ist der Gesetzgeber bisher nicht gefolgt. Um die Ausbildung in den verschiedenen Gesundheitsberufen auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie zu gewährleisten, wurde dem BMG eine Verordnungsermächtigung für notwendige Flexibilisierungen im Bereich der Ausbildungen in den Gesundheitsberufen erteilt. So kann sichergestellt werden, dass die laufenden Ausbildungsjahrgänge ihre Ausbildung fortsetzen bzw. abschließen können.
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