Seit dem Start der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) Ende 2020 sind bereits über 30 Apps in die Regelversorgung gelangt, auf die Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen Anspruch haben. Im Laufe dieses Jahres sollen nun auch Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) auf den Markt kommen. Zeit für einen Überblick: Wie verlief der Start der DiGA und was können wir von den DiPA erwarten?
Der Blick in das DiGA-Verzeichnis, das alle zugelassenen Anwendungen listet, zeigt derzeit eine klare Entwicklung: Der DiGA-Markt wächst. Im Durchschnitt gelangen zwei neue Anwendungen pro Monat in die Regelversorgung. Insgesamt sind seit Beginn der DiGA bereits über 100 Anträge von DiGA-Herstellern beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingegangen, das über die Zulassung einer jeweiligen Anwendung entscheidet. Die derzeit gelisteten DiGA adressieren unterschiedliche Krankheitsbilder von Adipositas über Diabetes bis hin zu Tinnitus. Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen ist die Inanspruchnahme bei den Versicherten derzeit noch verhalten. So haben die Ersatzkassen seit dem Start der DiGA über 60.000 Zugangscodes an ihre Versicherten ausgegeben. Die Nutzerzahlen bleiben damit insgesamt noch auf einem niedrigen Level.
Handlungsbedarfe
Mit dem Bericht über die Inanspruchnahme und Entwicklung der Versorgung mit DiGA hat der GKV-Spitzenverband jüngst Handlungsbedarfe aufgezeigt. So ist die hohe Anzahl an Erprobungs-DiGA zu kritisieren, die derzeit ohne vollends nachgewiesenen medizinischen Nutzen zugelassen und damit von den Krankenkassen zu erstatten sind. Zuletzt hat das BfArM sogar zwei Erprobungs-DiGA wieder aus dem DiGA-Verzeichnis gestrichen, sodass aus Sicht der Ersatzkassen nur DiGA in die Versorgung gelangen sollten, deren Nutzen bei der Zulassung durch Studien umfassend nachgewiesen ist. Anpassungsbedarf besteht zudem bei der Preisgestaltung der DiGA. Die Ersatzkassen machen sich dafür stark, dass die zwischen dem GKV-Spitzenverband und DiGA-Hersteller zu verhandelnden Vergütungsbeträge bereits ab Zulassung der DiGA gelten. Somit werden unverhältnismäßige Preisforderungen der Hersteller vermieden, die die Höhe im ersten Jahr der Zulassung frei festlegen können.
Die bevorstehende Einführung der DiPA zeigt, dass es auch anders geht. Anders als bei den DiGA gibt es bei den DiPA keine Erprobungsphase und keine frei zu bestimmenden Herstellerpreise im ersten Jahr der Zulassung. Es scheint, dass der Gesetzgeber Lehren aus der Versorgung mit überteuerten DiGA gezogen hat.
DiPA in den Startlöchern
Mit dem im Mai 2021 beschlossenen Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) wurde die Digitalisierung in der Pflege in den Fokus genommen. Eine wesentliche Neuerung des Gesetzes ist die Verankerung eines Leistungsanspruchs auf DiPA (§ 40a SGB XI). Den Anspruch können ambulant versorgte Pflegebedürftige geltend machen für Apps, die im DiPA-Verzeichnis des BfArM (§ 78a SGB XI) gelistet sind. Ziel ist, dass das DiPA-Verzeichnis noch in diesem Jahr an den Start geht und damit die ersten DiPA in die Versorgung kommen. Zusätzlich zu den DiPA wurde mit dem DVPMG ein Anspruch auf ergänzende Unterstützungsleistung im § 39a SGB XI verankert. Die ergänzende Unterstützungsleistung ist dann notwendig, wenn der Pflegebedürftige eine DiPA nicht selbstständig nutzen kann. Sie kann von Angehörigen, ehrenamtlichen Helfern oder ambulanten Pflegediensten erbracht werden.
Unterschiede
Gemäß der Ausgestaltung der Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung erstatten die Pflegekassen für die DiPA und die eventuell notwendige ergänzende Unterstützungsleistung einen monatlichen Höchstbetrag von bis zu 50 Euro. Darüber hinausgehende Kosten müssen von den Pflegebedürftigen selbst aufgebracht werden. Während eine DiGA zumeist ärztlich verordnet wird, werden DiPA auf Antrag von der Pflegekasse bewilligt. Die Pflegekassen werden dabei Anträge auf DiPA in aller Regel genehmigen, wenn die DiPA im BfArM-Verzeichnis gelistet ist und Pflegebedürftigkeit vorliegt. Wichtig ist trotzdem, dass ein Pflegebedürftiger bei seiner Pflegekasse im Vorhinein einen Antrag stellt, damit die Kostenerstattung von bis zu 50 Euro sichergestellt ist und damit die Pflegekassen im Rahmen ihrer Pflegeberatung über passende Angebote und mögliche Eigenbeteiligungen informieren können.
Erwartungen
DiPA sollen dabei helfen, die Fähigkeiten und die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen zu erhalten oder einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Sie können beispielsweise durch eine Analyse des Gangbildes dabei helfen, Stürzen vorzubeugen, durch personalisierte Gedächtnisspiele Demenz vorbeugen und die Kognition erhalten oder zu Bewegung animieren. Damit sich diese Erwartungen wirklich erfüllen, muss der pflegerische Nutzen einer DiPA messbar sein. Die Ersatzkassen unterstützen die Einführung der DiPA und werden daran mitwirken, die Potenziale von DiPA zur Entfaltung zu bringen.
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