Nach langem Ringen mit den Ländern um eine gemeinsame Krankenhausreform treibt Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach das Gesetzgebungsverfahren nun eigenständig voran. Doch wie regelt man eine Materie auf Bundesebene, deren Gelingen von der Kooperation der Länder abhängt? Der nun bekannt gewordene Referentenentwurf ist als zustimmungsfreies Gesetz ausgestaltet und krankt deshalb an einem Umsetzungsdefizit.
Das Bundesgesundheitsministerium hat Mitte März 2024 einen Referentenentwurf für ein Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) in die Ressortabstimmung gegeben, der in der Folge auch öffentlich bekannt wurde. Da der regierungsinterne Abstimmungsprozess noch andauert, ist der von Minister Lauterbach angekündigte Zeitplan, nach dem der Gesetzentwurf am 24. April 2024 vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, als sehr ambitioniert zu betrachten. Die Anhörung der Verbände dürfte in diesem Zeitrahmen äußerst knapp ausfallen.
Der Referentenentwurf soll als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz eingebracht werden. Er markiert das Ende eines langen und schwierigen Verhandlungsprozesses mit den Ländern, dessen Ziel einer gemeinsam orchestrierten Reform nicht erreicht wurde. Nachdem die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung im Dezember 2022 eine Empfehlung für eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung vorgelegt hatte, verständigten sich Bund und Länder bis zum Sommer 2023 zwar auf Eckpunkte. Jedoch wurde in der zweiten Jahreshälfte durch Bekanntwerden von Arbeitsentwürfen zum KHVVG und im Rahmen des Beratungsprozesses zum Krankenhaustransparenzgesetz deutlich, dass die Vorstellungen von Bund und Ländern über die Ziele einer Krankenhausreform sehr weit auseinanderlagen. Die ursprünglich geplante Vorlage eines zustimmungspflichtigen Gesetzentwurfs, der nur gemeinsam mit den Ländern hätte beschlossen werden können, wurde deshalb seitens des Bundesministers aufgegeben.
Vorhaltevergütung als wesentlicher Finanzierungsbaustein
Mit dem Referentenentwurf wird das Ziel verfolgt, die Krankenhausfinanzierung umzubauen und eine bessere Strukturierung und stärkere Qualitätsorientierung zu erreichen. Hierzu soll das Leistungsgeschehen nach Leistungsgruppen geordnet und eine Vorhaltevergütung eingeführt werden. Das bisher geltende Fallpauschalensystem soll nur noch mit einem Anteil von 40 Prozent weitergeführt werden. Die Leistungsgruppen sollen an die Erfüllung von Ausstattungsmerkmalen sowie Mindestvorhaltefallzahlen geknüpft werden. Mit der Schaffung von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen soll zudem eine neue Leistungserbringer-Kategorie errichtet werden. Sie sollen stationäre Leistungen im Bereich der Grundversorgung erbringen können, aber auch ambulante Angebote und Pflegeleistungen vorhalten können.
Da diese Maßnahmen in die Kompetenzen der Länder in der Krankenhausplanung eingreifen, sieht der Gesetzentwurf vor, die inhaltlichen Entscheidungen zur Ausgestaltung der Leistungsgruppen nicht im Gesetzentwurf selbst zu regeln, sondern in Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrats zu verlagern, die sich an den Gesetzesbeschluss anschließen würden. Somit ist davon auszugehen, dass die Leistungsgruppen nicht die bundespolitisch gewünschte Steuerungswirkung erzielen werden, sondern die Länder auf weite Gestaltungsspielräume dringen werden.
Beitragszahlende sollen Hauptlast tragen
Für den Umbau der Krankenhauslandschaft soll in den Jahren 2026 bis 2035 ein Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro eingerichtet werden, welcher jeweils zur Hälfte aus dem Gesundheitsfonds und durch die Länder gespeist werden soll. Dies bedeutet faktisch, dass Investitionen für den Umbau der Krankenhauslandschaft aus den Finanzmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert würden, obwohl die Krankenkassen nach der geltenden Finanzordnung nur die Betriebsmittelausgaben zu tragen haben. Wenig überraschend stößt das Vorhaben bei den Krankenkassen auf heftige Kritik, die auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Finanzkonstruktion einschließt.
Um die Finanznöte vieler Krankenhäuser schnell zu lindern, sieht der Gesetzentwurf zusätzlich vor, die Krankenhauseinzelfallrechnungsprüfung ab 2027 durch eine Stichprobenprüfung zu ersetzen und durch die Erhöhung des Landesbasisfallwerts inklusive der kurzfristigen Refinanzierung von Tariferhöhungen sowie einer Erhöhung des Orientierungswerts weitere Finanzhilfen zu gewähren. Zusätzlich zur Vorhaltevergütung sollen außerdem spezifische Leistungsbereiche gesondert vergütet werden.
Kernprobleme bleiben ungelöst
Es bleibt abzuwarten, welchen Verlauf diese Krankenhausreform im Zusammenspiel mit den Ländern nehmen wird. Zu befürchten ist, dass zwar tiefgreifende und kostspielige Umbaumaßnahmen am Finanzierungssystem vorgenommen werden, damit aber kaum Fortschritte für die dringend reformbedürftige Krankenhauslandschaft verbunden sind. Das Kernproblem der Personalknappheit würde somit erneut vertagt. Auch auf die Veränderungen bei den Fallzahlen findet der Gesetzentwurf keine Antwort. Zwar steigen die zunächst deutlich reduzierten Fallzahlen inzwischen wieder an, jedoch sind erhebliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen festzustellen. Insofern wäre es notwendig, bei einer Reform zwischen Regionen mit Über- und Unterversorgung zu unterscheiden und hierfür getrennte Regelungen vorzusehen. Eine Vorhaltekostenfinanzierung sollte nur in den ländlichen Regionen zur Sicherung einer stationären Grundversorgung im Vordergrund stehen. In den städtischen Regionen muss ein gezielter Konzentrations- und Spezialisierungsprozess dazu beitragen, das knappe Personal sinnvoll einzusetzen und damit die Versorgung zu sichern. Dies wird mit dem vorliegenden Entwurf nur in Aussicht gestellt.
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