Eckpunkte Apothekenreform

Neue Weichenstellungen für Apotheken

Mit Streiks und Kundgebungen haben die Apothekerinnen und Apotheker im vergangenen Herbst auf sich aufmerksam gemacht. Sie fordern vor allem mehr Honorar. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) setzt auf finanzielle Umverteilung und Flexibilisierung der Vorgaben.

Apotheke

Die Apothekerinnen und Apotheker beklagen, dass die Vergütung seit 2013 nicht angepasst wurde, das heißt dass Apotheken für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dauerhaft das gleiche Packungshonorar erhalten, während die Vergütung anderer Berufsgruppen wesentlich mehr an die allgemeine Preisentwicklung gekoppelt ist. Sie argumentieren, dass der prozentuale Vergütungsanteil, bei dem die Apotheken von einem steigenden Preisniveau der Arzneimittel profitieren können, nicht ausreiche, um die gestiegenen Kosten zu decken und die wirtschaftliche Situation der Apotheken langfristig zu stabilisieren. Darüber hinaus wurde der sogenannte Apothekenabschlag, der bei der Abrechnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu gewähren ist, durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz für zwei Jahre angehoben. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) stellt nun fest, dass die absolute Anzahl der Apotheken immer schneller sinke, und befürchtet Einbußen bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Der Umgang mit Lieferengpässen und die nunmehr verpflichtende Umsetzung des E-Rezepts mit allen Anfangsschwierigkeiten, die ein solcher Systemwechsel mit sich bringe, erhöhten den Druck auf die Apotheken.

Die Warnrufe nach mehr Geld für die Apotheken sind bisher verhallt. Anstatt einer reinen Honorarsteigerung nahm das BMG mit den Ende 2023 vorgestellten Eckpunkten für eine Apothekenreform andere Weichenstellungen vor, um die Flächendeckung zu sichern. Dem BMG geht es um Strukturwandel in einer Zeit, die von Fachkräftemangel und dem Gefälle zwischen Stadt und Land geprägt ist. Geplant ist vorerst eine Umverteilung des Honorars und Flexibilisierung der starren Vorgaben, unter denen Apotheken betrieben werden müssen, sodass zum Beispiel Öffnungszeiten, Personaleinsatz und technische Ausstattung flexibler gehandhabt werden können. Auch die Digitalisierung soll Potenziale eröffnen, indem telepharmazeutische Möglichkeiten genutzt werden.

Ab 2027 ist nach den Plänen des BMG vorgesehen, das Honorar im Rahmen einer Selbstverwaltungslösung zu bestimmen. Entsprechend erhalten der GKV-Spitzenverband und der DAV den Verhandlungsauftrag, ab 2027 eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. Die Standesvertretung protestiert gegen diese Pläne und unterstellt dem BMG Taschenspielertricks. Es ist sogar von einer systemzerstörenden Reform die Rede.

Herausforderungen im vertraglichen Miteinander

Die Leitplanken der Arzneimittelversorgung bestimmt unter anderem der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV. Dieser kann durch individuelle Verträge der Kassen(arten) ergänzt werden. Wie sich die Versorgung von Versicherten mit Arzneimitteln gestaltet, hängt wesentlich davon ab, wie gut und wie schnell sich die Vertragspartner verständigen.

Wie unterschiedlich die Denkweisen von DAV und GKV sind, zeigt das Beispiel der sogenannten Hilfstaxe. In dieser sind unter anderem Preise für die Ausgangssubstanzen bei einer Rezepturherstellung geregelt. Zumindest waren sie das bis Ende 2023: Die Preisregelungen wurden durch den DAV gekündigt. Seitdem herrscht Uneinigkeit, in welchem Umfang beispielsweise die einzelnen Rezepturbestandteile abgerechnet werden können. Nach Lesart des DAV sind es die ganzen Packungen, die für die Rezeptur erforderlich sind. Die GKV beurteilt das anders und sieht die anteilige Abrechnung als maßgeblich an.

Beispielrechnung zur Herstellung einer Rezeptur
Apothekeneinkaufspreise (AEK) Unterschiedliche Auffassungen zur Abrechnung
  Abrechnungspreis
ab 1. Januar 2024 nach
GKV-Interpretation
Abrechnungspreis
ab 1. Januar 2024 nach
DAV-Interpretation
Salbengrundlage 250g 8,00 € Salbengrundlage 100g* 6,08 € 15,20 €
Wirkstoff A 1g 16,00 € 100g*
Wirkstoff A 0,1g*
3,04 € 30,40 €
Wirkstoff B 5g 12,00 € Wirkstoff B 1g* 4,56 € 22,80 €
Gefäß 100g 1,00 € Gefäß 100g* 1,90 € 1,90 €
  gesetzliche Zuschläge 14,35 € 14,35 €
  Zwischensumme 29,93 € 84,65 €
  Zuzüglich 19 % MwSt. 35,62 € 100,73 €
  Zuzahlung Versicherte 5,00 € 10,00 €

Die Auswirkungen bekommen sowohl die Versicherten mit einer höheren Zuzahlung als auch die Krankenkassen mit einem höheren Abrechnungspreis deutlich zu spüren. Bei den Apotheken besteht ebenso mangels vertraglicher Vereinbarung Verunsicherung, wie korrekt abgerechnet werden soll. Wann mit einer endgültigen Klärung zu rechnen ist, ist unklar. Der DAV empfiehlt derweil den Apotheken, Rücklagen zu bilden, sollten die Krankenkassen die strittige Differenz zurückfordern.

E-Rezept mit Anlaufschwierigkeiten

Nicht ganz ohne Probleme verläuft auch der Start des E-Rezepts, das seit Januar 2024 verpflichtend ist. Bereits bei der Ausstellung in der Arztpraxis werden E-Rezepte zum Teil als technisch einwandfrei und vollständig freigeschaltet, obwohl sie es nicht sind. In der Apotheke kommen nicht immer alle Daten an oder es finden sich plötzlich andere Arzneimittel von anderen Versicherten auf der Verordnung. Und auch bei der Übermittlung von der Apotheke an die Krankenkasse hapert es zuweilen. Von einem kompletten Systemausfall der Telematikinfrastruktur wie Mitte Februar 2024 ganz zu schweigen. In den rund 45 Minuten des Ausfalls konnten deutschlandweit etwa 386.300 Verordnungen im Vergleich zur Vorwoche nicht eingelöst werden. Das alles hätte man wissen können, wenn 2023 als Testjahr ernstgenommen worden wäre. Nun muss daraufgesetzt werden, dass alle an einer sachgerechten Lösung interessiert sind, was nicht immer der Fall zu sein scheint.

Apotheken obliegt die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Diese Versorgung ist durch ein Geflecht von Gesetzen und Verordnungen reguliert, die vor allem dem Patientenschutz dienen sollen. Für ihre Leistungen erhalten die Apotheken ein festes Honorar. In Deutschland dürfen Apotheken nur durch Apothekerinnen und Apotheker betrieben werden, das heißt: Ketten, wie man sie aus anderen Ländern kennt, sind nicht erlaubt. In der Wahl ihres Standorts sind Apothekerinnen und Apotheker frei.

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