Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform hat sich am 10. Juli 2023 auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Im Herbst soll ein Gesetzentwurf vorgelegt und bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Mit einem Mix aus einer stärkeren Qualitätsorientierung und der neuen Vorhaltekostenvergütung soll eine bessere Versorgung erreicht werden. Ob das wirklich gelingt, ist noch unklar. Klar ist aber, dass die Mehrausgaben voraussichtlich von den Beitragszahlenden geschultert werden müssen.
Veränderungen der Krankenhausstruktur sind seit jeher das dickste politische Brett in der deutschen Gesundheitspolitik. Die letzte wirkliche Reform erfolgte vor zwanzig Jahren, als man sich von der bettenbezogenen Finanzierung verabschiedete und die DRG (Diagnosis Related Groups) einführte. Mit diesen Fallpauschalen wurde damals das Anreizsystem in der stationären Versorgung radikal geändert. Die Erbringung von Leistungen trat ins Zentrum des Interesses und die Belegung von Betten rückte in den Hintergrund. Seinerzeit übrigens maßgeblich mitbeteiligt war der jetzige Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. Aus heutiger Sicht lässt sich resümieren, dass man mit dieser Reform über das Ziel hinausgeschossen ist. Die Zahl der Betten ging zwar zurück, aber die Fallzahlen sind im internationalen Vergleich mit am höchsten. Seit längerem schon war sich die Fachwelt deshalb einig, dass in Deutschland zu schnell und zu viel operiert wird und dabei mancherorts nicht die beste Expertise für die jeweiligen Eingriffe vorhanden ist – eine Entwicklung, die auch durch die fehlenden Investitionen der Länder und daraus resultierenden wirtschaftlichen Interessen der Krankenhäuser unterstützt wurde.
Die Politik tut deshalb richtig daran, das ändern zu wollen. Der Anpassungsbedarf ist durch wachsende Personalengpässe der vergangenen Jahre weiter gestiegen. Vor diesem Hintergrund waren die Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform im vergangenen Dezember ein guter Aufschlag. Der sich anschließende Verhandlungsprozess in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe legte jedoch wie ein Kaleidoskop die ganze Misere der deutschen Krankenhauspolitik offen. Zwischen Kostenträgern, Bund und Ländern geteilte Verantwortlichkeiten für die Planung und Finanzierung sowie eine öffentlich geführte Debatte um ein drohendes Krankenhaussterben ließen die hochfliegenden Pläne schnell erlahmen. Wichtige Strukturinstrumente wie die Ordnung der Landschaft in Versorgungsstufen (Level) wurden schon recht früh wieder einkassiert. Es blieb ein zähes Ringen um die Konzipierung von Leistungsgruppen und die Ausgestaltung der Vorhaltekostenfinanzierung sowie um die Finanzierung der Transformation. Dass die Krankenkassen als Kostenträger über den ganzen Verhandlungsprozess hinweg Zaungäste bleiben, konnte und sollte für die Beitragszahlenden nichts Gutes bedeuten.
Bundeseinheitlich definierte Qualitätskriterien
Eine Einigung zwischen Bund und Ländern kam nur mithilfe von Ausnahmeregelungen zustande wie die Möglichkeit für das Krankenhaus, Leistungsgruppen auch dann zugewiesen zu bekommen, wenn es dazu Kooperationen und Verbünde mit anderen Krankenhäusern eingeht. Immerhin konnte man seitens des Bundes durchsetzen, dass Qualitätskriterien für Leistungsgruppen bundeseinheitlich definiert werden. Das ist für die bundesweit aufgestellten Ersatzkassen eine wichtige Nachricht. Auch dass als Einstieg in die Welt der Leistungsgruppen grundsätzlich der in Nordrhein-Westfalen verfolgte Ansatz gewählt wurde, ist zunächst positiv. Jedoch bedarf es dann einer zeitnahen Weiterentwicklung zur größeren Differenzierung ohne langwierige Abstimmungsprozesse. Bei der laienverständlichen Offenlegung über das Leistungsangebot und die Qualität der stationären Versorgung soll es jedoch ein weiteres Gesetz geben. Und auch das Finanzierungskonstrukt enthält ungedeckte Schecks, ohne dass es Finanzierungszusagen aus der Regierungskoalition gäbe. So spricht vieles dafür, dass die finanzielle Hauptlast in Form von neuen Zuschlägen (Koordinierungszuschläge für bestimmte Krankenhäuser und zusätzliche Sicherstellungszuschläge für sechs Versorgungsbereiche) und Vorhaltekosten für nicht erbrachte Leistungen voraussichtlich von den Krankenkassen zu tragen sein werden. Der Übernahme von Kosten für den Transformationsprozess durch den Staat hat der Gesundheitsminister bereits eine Absage erteilt. Auch eine konkrete Verpflichtung der Länder auf Tragung ihres Investitionskostenanteils sucht man vergeblich im Eckpunktepapier.
Mit den neuen sektorenübergreifenden Versorgern bzw. Level Ii-Krankenhäusern könnte zwar keine Revolution, aber doch eine tragfähige Lösung für die so wichtige Bereitstellung einer wohnortnahen Grundversorgung gelingen. Hier scheint sich ein guter Weg zu einer integrierten Versorgung zu eröffnen, mit dem vorhandene Strukturen sinnvoll umgebaut, Versorgungsprobleme mit niederschwelligen Angeboten adressiert und auch eine bessere Kooperation zwischen den medizinischen und weiteren Gesundheitsberufen gelingen kann. Wichtig wäre es, Level Ii-Krankenhäuser konsequent dort entstehen zu lassen, wo Versorgungsprobleme bestehen oder sich abzeichnen.
Was von der angekündigten Revolution bleibt, sind die Leistungsgruppen und die Vorhaltefinanzierung. Ob die strukturverändernde Revolution der Krankenhausversorgung gelingt, wird sich erst zeigen, wenn der Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, an dessen Erarbeitung die Länder über ein Redaktionsteam beteiligt werden. Danach folgt ein parlamentarisches Verfahren, das noch viele Veränderungen zulassen könnte. In den vergangenen Wochen ist jedoch deutlich geworden, dass beide Seiten, Bund und Länder, ein übergeordnetes Interesse an der Einführung von Vorhaltekosten haben und die Reform deshalb nicht scheitern wird.
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