Im Grunde genommen sind sich alle, die für den Krankenhausbereich Verantwortung tragen, einig: So wie bislang kann es nicht weitergehen. Nordrhein-Westfalen (NRW) hat sich deshalb bereits im Jahr 2018 auf den Weg gemacht, eine Reform der Krankenhauslandschaft vorzubereiten. Diese Vorarbeiten sollen nun Grundlage der Krankenhausreform auf Bundesebene werden. Darauf haben sich Bund und Länder am 10. Juli 2023 in Berlin verständigt.
Aus den Überlegungen in NRW entstand eine Krankenhausplanung auf Grundlage von Leistungsgruppen, mit der die Qualität der Versorgung verbessert und der ruinöse Wettbewerb um Patientinnen und Patienten, Fallzahlen und Personal beendet werden soll. Nicht jeder soll alles machen. Spezialisierung und Sicherung einer Krankenhausversorgung in der Fläche sind wesentliche Grundgedanken der NRW-Krankenhausreform.
Bereits im Jahr 2018 war klar, dass die Planung auf Grundlage von Betten ausgedient hat. Nur: Wie kann man die Strukturen einer gewachsenen Krankenhauslandschaft mit rund 330 Krankenhäusern und sechs Universitätskliniken im bevölkerungsreichsten Bundesland besser steuern und auf die Zukunft vorbereiten? Wie bekommt man es geregelt, dass sich Patientinnen und Patienten darauf verlassen können, dass ein Krankenhaus die für die Behandlung einer Erkrankung erforderliche personelle und apparative Ausstattung vorhält und genügend Expertise vorhanden ist? Und welche Leistungen werden in den Krankenhäusern derzeit angeboten? Wie soll die Krankenhausplanung der Zukunft aussehen, wenn das Bett als Planungsgröße ausgedient hat?
Um diese Fragen zu klären, beauftragte das Gesundheitsministerium NRW unter Leitung von Minister Karl-Josef Laumann 2018 ein Gutachterteam. Die Bestandsaufnahme war im Herbst 2019 abgeschlossen. Die Gutachter hatten sich die Krankenhausplanung im Kanton Zürich angesehen und vorgeschlagen, auch in NRW Leistungsbereiche und Leistungsgruppen einzuführen. Die Grundidee war dabei, vor allem für medizinisch komplexe und oft auch finanziell attraktive medizinische Leistungen konkrete, überprüfbare Qualitätsvorgaben beispielsweise hinsichtlich der personellen und apparativen Ausstattung sowie für die Erreichbarkeit festzulegen und ein System aus Leistungsgruppen zu entwickeln, das die ärztliche Weiterbildung ermöglicht.
Einbeziehung der Praxis
Von Anfang an war klar, dass der Vorschlag der wissenschaftlichen Gutachter nicht die Blaupause für eine Änderung des Krankenhausgestaltungsgesetzes und des Krankenhausplans sein kann, sondern dass zunächst die Expertise der Praktiker gefragt ist. Veränderungen in der Krankenhauslandschaft sind grundsätzlich nicht einfach. Krankenhäuser gehören zu den wichtigsten Einrichtungen der Daseinsvorsorge auf kommunaler Ebene. Die Strukturen sind häufig über Jahrhunderte gewachsen, Krankenhäuser sind oft der größte Arbeitgeber am Ort. Deshalb ist es nicht nur eine Frage von Emotionen, wenn ein Krankenhaus schließt. Und gerade deshalb ist es wichtig, die Praxis frühzeitig in Strukturveränderungen einzubeziehen. Wir haben deshalb „die klügsten Köpfe“ an einen Tisch geholt und die Krankenhausgesellschaft, die beiden Ärztekammern, die Krankenkassen, die kommunalen Spitzenverbände, die Kirchen, die Pflege und Patientenvertreter eng in den Arbeitsprozess eingebunden. Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass es eine richtige Entscheidung war, die wesentlich zur Akzeptanz der neuen Planungssystematik beitrug. Dutzende gemeinsame Arbeitsgruppensitzungen brachten gegenseitiges Verständnis und Vertrauen hervor. Am Ende stand ein pragmatischer Krankenhausplan NRW mit 60 somatischen und vier psychiatrischen Leistungsgruppen, der einvernehmlich im gesetzlich vorgeschriebenen Landesausschuss für Krankenhausplanung NRW verabschiedet wurde.
Der hohe fachliche Zuspruch für den neuen Krankenhausplan führte letztendlich auch dazu, dass der Landtag der Landesregierung 2,5 Milliarden Euro zur Umsetzung des neuen Krankenhausplans zur Verfügung stellt. Damit kann das Land Kosten des Transformationsprozesses unterstützen. Der neue Krankenhausplan schafft rechtliche Verbindlichkeit, die Haushaltsmittel sind für die Krankenhäuser ein hoher Anreiz, Strukturveränderungen zu wagen.
Aber auch unabhängig von diesem Geld können wir feststellen, dass seit 2019 etwas in Bewegung geraten ist. Krankenhäuser reden miteinander und treffen Absprachen, auch dort, wo man es nicht erwartet hätte. Seit Herbst 2022 laufen auch offiziell die Verhandlungen zu den sogenannten regionalen Planungskonzepten. Das Land übernahm im Mai 2023 die Federführung von den Krankenkassen. Bis Ende 2024 sollen alle Krankenhäuser in NRW einen neuen Feststellungsbescheid erhalten und damit verbindlich wissen, welche Leistungsgruppen sie zukünftig anbieten dürfen.
Als wir 2019 mit der Arbeit am neuen Krankenhausplan begonnen haben, war nicht absehbar, dass sich im Jahr 2023 auch ein historisches Zeitfenster öffnet, um die Krankenhausfinanzierung auf Bundesebene zu reformieren. Dass sich Bund und Länder im Juli 2023 auf Eckpunkte zur Reform der Krankenhausfinanzierung verständigten, ist sozusagen ein „Glücksfall“ für die Krankenhausplanung in NRW. Unsere Leistungsgruppen entfalten eine größere Wirkung, wenn sie durch eine Reform der Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser flankiert werden. Es ist auch großartiges Lob für alle Beteiligten, dass unsere Vorarbeit in NRW nun die Reform auf Bundesebene und Grundlage für einen wesentlichen Teil der Krankenhausplanung in ganz Deutschland sein wird. Die hier mit der Praxis erarbeiteten somatischen Leistungsgruppen werden, ergänzt um fünf weitere Leistungsgruppen, neben der Vorhaltekostenfinanzierung den eigentlichen Kern der Bundeskrankenhausreform darstellen. Die Länder behalten die Planungshoheit und erhalten ein Initiativrecht zur Weiterentwicklung der Leistungsgruppen. Ähnlich wie in NRW soll ein gesetzlicher Leistungsgruppen- Ausschuss eingerichtet werden, geleitet von Bund und Ländern, in dem die Bundesärztekammer, Vertreter der Pflege, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband vertreten sind, damit auch auf Bundesebene die Praxis eng und frühzeitig eingebunden wird. Damit wird die Krankenhausreform auf Bundesebene sehr deutlich auch die Handschrift Nordrhein-Westfalens tragen.
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