Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)

Vernetzte Versorgung sollte eigentlich das Ziel sein

Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen – mit diesen drei Projekten soll nach dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) die regionale Versorgung auf Trab gebracht werden. Ob damit aber tatsächlich Versorgungsverbesserungen erreicht werden können, ist nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes und der Veröffentlichung der ersten Stellungnahmen zumindest fraglich.

Illustration: Regionale Gesundheitszentren (RGZ)

Der in der Fachöffentlichkeit wohl am ambivalentesten diskutierte Reformansatz ist der Aufbau von Gesundheitskiosken. In besonders benachteiligten Regionen und Stadtteilen sollen auf Verlangen der jeweiligen Kommune niedrigschwellige Beratungsangebote für Behandlung und Prävention errichtet werden können. Neben der grundsätzlichen Problematik, dass durch eine neue Organisationsstruktur neue Schnittstellen und ein neuer Verwaltungsapparat geschaffen werden, steht auch die anteilige Finanzierung der Krankenversicherung (80 Prozent für gesetzliche Krankenversicherung/private Krankenversicherung) im Verhältnis zu den Kommunen (20 Prozent) in der Kritik. Das Verhältnis widerspricht der Empfehlung des Innovationsausschusses auf Basis des Innovationsfondsprojektes INVEST Billstedt/Horn, dass eine angemessene finanzielle Beteiligung der beteiligten Sozialleistungsträger beziehungsweise Kommunen vorzusehen ist.

Inhaltlich gäbe es durchaus Alternativen zu den Gesundheitskiosken, die deutlich weniger neue Schnittstellen verursachen und keinen teuren Verwaltungsapparat benötigen. So fördert der Hamburger Senat den Einsatz einer Community Health Nurse in bestehenden Einrichtungen und belegt damit noch einmal die inhaltliche Schwerpunktsetzung dieser Aufgabe im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge. In eine ähnliche Richtung geht das Projekt Arztpraxisinterne Sozialberatung mit 13 niedergelassenen Arztpraxen in Berlin-Lichtenberg. Auch hier erfolgt die Beratung in einer bestehenden Einrichtung des Gesundheitssystems.

Konzept der Gesundheitsregionen bleibt vage

Der zweite Reformansatz beschäftigt sich mit dem Aufbau von „Gesundheitsregionen“. Ein einheitliches Verständnis, was genau darunter zu verstehen ist, existiert weder in der gesundheitspolitischen Diskussion noch in dem Entwurf des GVSG. In Abs. 1 des neuen § 140b SGB V heißt es: „Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sollen gemeinsam und einheitlich mit Kreisen Verträge mit dem Ziel der Behebung regionaler Defizite der Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Versorgung, der Überwindung von Schnittstellen oder der Verbesserung des Zugangs zur regionalen Versorgung (Gesundheitsregion) schließen können.“ Deutlich mehr Klarheit über konkrete Lösungen sind auch aus Abs. 2 nicht zu entnehmen, sodass mögliche regionale Defizite wohl kaum zu beheben sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, sodass mit dem Gemeinsamen Landesgremium gemäß § 90a SGB V bereits heute die Möglichkeit besteht, alle für die Gesundheitsversorgung relevanten Stakeholder zumindest auf Ebene des Bundeslandes zusammenzubringen, schaffen Gesundheitsregionen ohne konkreten Auftrag keinen Mehrwert für die Versorgung.

Aufbau von Primärversorgungszentren

Ein dritter Reformbaustein zur Stärkung der regionalen Versorgung besteht darin, dass zukünftig in Gebieten mit drohender oder bestehender Unterversorgung Primärversorgungszentren entstehen sollen. Diese Neuregelung übernimmt in Teilen Vorschläge, die der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) bereits mit dem Konzept der Regionalen Gesundheitszentren (RGZ) gemacht hat. Ansätze wie eine Mindestzahl von Hausarztsitzen sowie eine Stärkung nicht-ärztlicher Gesundheitsfachberufe und ihrer Leistungen sind zu begrüßen und stärken die Attraktivität einer Beschäftigung in einer unterversorgten Region. Leider geht der Gesetzentwurf aber nicht weit genug. Um tatsächlich eine Versorgung „unter einem Dach” zu realisieren, sollten neben Hausärzt:innen auch Fachärzt:innen und andere Leistungserbringende direkt vor Ort präsent sein. Außerdem werden die geplanten Fördermaßnahmen zum Aufbau der Primärversorgungszentren nicht ausreichen, um einen Strukturwandel hin zu einer gemeinsamen, gesundheitsberufsübergreifenden und vernetzten Versorgung anzustoßen. Zwar helfen die neuen Regelungen zur Gründung von Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in kommunaler Trägerschaft. Dass aber nicht heute schon mehr MVZ im Sinne der neu angedachten Primärversorgungszentren existieren, ist eigentlich Beleg genug dafür, dass die bestehenden Anreize zur Gründung solcher Organisationseinheiten nicht ausreichen.

Insgesamt ist somit zu befürchten, dass jenseits der beabsichtigten und berechtigten Ziele die drei Instrumente des GVSG (Gesundheitskioske, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren) ins Leere laufen und damit die Versorgung in Deutschland durch mehr Organisationseinheiten nicht transparenter und vernetzter, sondern noch zersiedelter und teurer wird.

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