Patentschutz

Mehr Preistransparenz bei Arzneimitteln

Arzneimittel sind der zweitgrößte Ausgabenblock der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Patentgeschützte Arzneimittel sind seit Jahren die Preis- und Ausgabentreiber im Arzneimittelbereich. Für die Versichertengemeinschaft bedeutet dies, viel Geld für Arzneimittelinnovationen aufzubringen, die jedoch oftmals gar keine echten Innovationen sind.

Illustration: Medikamente unter Patentschutz

Die Ausgaben der GKV für neue und damit patentgeschützte Arzneimittel haben sich innerhalb von fünf Jahren fast verdoppelt. Das ist ein Ergebnis des neuen Reports „Arzneimittel-Fokus – Pillen, Preise und Patente“, den die Techniker Krankenkasse (TK) gemeinsam mit dem aQua-Institut (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH) erstellt hat. Lagen die Bruttoausgaben für patentgeschützte Arzneimittel im Jahr 2018 noch bei rund 14,6 Milliarden Euro, gab die GKV im Jahr 2022 rund 28 Milliarden Euro aus – das entspricht fast der Hälfte der Arzneimittelausgaben insgesamt. Dabei machen patentgeschützte Arzneimittel jedoch lediglich rund sechs Prozent des Gesamtverbrauchs aus. Dies verdeutlicht die Schere der Preise zwischen generischen und patentgeschützten Arzneimitteln.

Doch wie sind angesichts des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) und der Erstattungsbetragsverhandlungen derartige Preise nach wie vor möglich? Dieser Frage geht der Report ebenfalls nach und zeigt Marktstrategien auf, wie die Pharmaindustrie den Patentschutz möglichst lange aufrechthält, um von der damit verbundenen Marktexklusivität und den hohen Preisen zu profitieren. Diese Strategien sind zwar legal, doch angesichts des steigenden Kostendrucks und des nicht immer nachgewiesenen Zusatznutzens für die Patientinnen und Patienten muss die Frage gestellt werden, ob sie in einem solidarisch finanzierten System möglich sein sollten.

Verschiedene Marktstrategien

Als Beispiel für diese Strategien findet sich zum Beispiel die Nicht-Zulassung des bekannten Wirkstoffes Rituximab für die neue Indikation Multiple Sklerose (MS). Als sich in ersten Studien zeigte, dass Rituximab, welches bereits lange in der Krebsbehandlung zugelassen war, auch gegen MS wirkt, gab der Hersteller keine weiteren Studien für eine Zulassung in der Indikation MS in Auftrag. Stattdessen brachte derselbe Hersteller etwas später einen leicht abgewandelten Wirkstoff (Ocrelizumab) neu auf den Markt, der dann im Gegensatz zu Rituximab dem Patentschutz unterlag.

Eine weitere Marktstrategie ist das sogenannte Evergreening, bei dem durch geringfügige Änderungen die Patentdauer eines Arzneimittels verlängert wird. Die Wirksamkeit wird dadurch jedoch nicht wesentlich verändert oder gar verbessert. Als typische Beispiele finden sich kleinste Veränderungen an einzelnen Molekülen oder die Änderung der Darreichungsform. Statt in die Vene wird unter die Haut gespritzt, der Wirkstoff bleibt dabei gleich und die Neuerung kommt kurz vor Patentablauf auf den Markt – natürlich mit neuem Patentschutz und damit verbunden Markt- und Preisvorteilen.

Besonders hohe Preissteigerungen zeigen sich bei der Strategie, ein Medikament, das für die Behandlung einer Krankheit zugelassen ist, vom Markt zu nehmen, um es dann für eine andere Indikation wieder auf den Markt zu bringen – und das zum Vielfachen des ursprünglichen Preises. So stieg der Preis für den Wirkstoff Alemtuzumab um das 42-fache, der des Wirkstoffs Ofatumumab um das 23-fache. Beide Wirkstoffe waren zunächst zur Behandlung von Krebs zugelassen und kamen dann als Arzneimittel zur Behandlung von MS auf den Markt.

Doch wie lassen sich diese ungerechtfertigten Preise verhindern und gleichzeitig echte Innovationen und therapeutischer Fortschritt angemessen honorieren? Da das AMNOG nicht ausreichend schützt, braucht es ergänzende Ansätze. Die tatsächlichen Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionskosten müssen dringend transparenter werden und in den Arzneimittelpreisen Berücksichtigung finden. Ein denkbarer Ansatz wäre die Deckelung der Gewinnmarge auf Basis der tatsächlichen Kosten. So ließen sich die Preise im patentgeschützten Bereich reduzieren, sodass in die Sicherheit der Lieferketten im generischen Bereich investiert werden könnte. Zudem sollte die Geheimhaltung der Preise im patentgeschützten Bereich in Erwägung gezogen werden. In jedem Fall bedarf es einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Diskussion um das Thema „Arzneimittelpreise“ sowie entsprechender politischer Lösungen.

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