Mit dem Ziel, Versorgungsnotständen in ländlichen Regionen entgegenzuwirken, erproben die Ersatzkassen seit Mai 2024 mit drei Einrichtungen bundesweit neue Delegationskonzepte. Im Projekt „Regionale Gesundheitspartner der Ersatzkassen" übernehmen qualifizierte Gesundheitsberufe delegationsfähige ärztliche Aufgaben und tragen maßgeblich zur Entlastung des ärztlichen Personals bei.
Regionales Versorgungszentrum (RVZ) Wurster Nordseeküste, Niedersachsen
Im Landkreis Cuxhaven bildet das Regionale Versorgungszentrum Wurster Nordseeküste GmbH eine der zentralen Anlaufstellen für die ambulante medizinische Versorgung. Mit der Gründung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) im Jahr 2021 reagierten die Kommunen auf die drohende medizinische Unterversorgung in der Region. Neben einer breiten hausärztlichen Versorgung finden sich im Regionalen Versorgungszentrum weitere Leistungserbringende, wie eine Kinderarztpraxis, eine Praxis für Gynäkologie, eine Oralchirurgie oder eine Physiotherapie. Mit dem Projekt der Ersatzkassen erhalten Versicherte seit Mai 2024 zusätzlich die Möglichkeit einer individuellen Beratung und Unterstützung durch ein Care und Case Management. Darüber hinaus unterstützt der Telemedizinrucksack das medizinische nichtärztliche Fachpersonal bei Haus- und Pflegeheimbesuchen.
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Unser RVZ ist seit mehr als einem Jahr Gesundheitspartner des vdek. Wir schätzen diese Kooperation sehr, da sie uns ermöglicht, eine NäPA mit Telerucksack auszustatten und damit die hausärztliche Versorgung in der Fläche aufrecht zu erhalten. Ohne NäPA wären Hausbesuche bei Patienten zu Hause äußerst schwierig zu realisieren, da die Arztkapazität knapp ist. Die NäPA führt umfangreiche telegestützte Untersuchungen in der Häuslichkeit durch und schaltet bei Bedarf den Arzt hinzu. Ergänzt wird dies durch eine Care und Case Managerin, die die Patienten und Angehörigen in vielen Fragen und Themen des Alltags unterstützt und berät. Sie sieht Dinge wie zum Beispiel Stolperfallen, Mangelernährung und Versorgungsdefizite, die dem Arzt beim Besuch in der Praxis verborgen bleiben, und kann Abhilfe schaffen. Dies ist sehr wertvoll – auch im Sinne einer präventiven Versorgungsgestaltung.
Gemeinschaftspraxis Gesenhues & Partner, Nordrhein-Westfalen
Im nordrhein-westfälischen Ochtrup fokussiert sich die Gemeinschaftspraxis Gesenhues & Partner auf die hausärztliche und familienmedizinische Versorgung. Die im Jahr 1987 gegründete Praxis versorgt heute mit über 60 Mitarbeitenden mehr als 8.000 Patient:innen im Quartal. Zum Praxispersonal gehören neben 9 Ärzt:innen auch über 50 nichtärztliche Mitarbeitende wie Medizinische Fachangestellte, Nichtärztliche Praxisassistent:innen (NäPA), Physician Assistants (PAs) oder Diabetesberater:innen. Durch das Ersatzkassenprojekt wurden ein Care und Case Management sowie der Telemedizinrucksack eingeführt. Zusätzlich konnte mit dem Einsatz von Physician Assistants eine Sicherstellungspraxis im hausärztlich gering versorgten Umland eröffnet werden.
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Als „Regionaler Gesundheitspartner der Ersatzkassen" konnte in einer hausärztlich unterversorgten Region durch den gezielten Einsatz von Physician Assistants in unserer Gemeinschaftspraxis die medizinische Versorgung nachhaltig gesichert und qualitativ deutlich verbessert werden – bei nur geringem ärztlichem Mehraufwand. Die große Akzeptanz des Teampraxis-Konzepts zeigt sich nicht nur in der hohen Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten, sondern auch in spürbaren Verbesserungen: kürzere Wartezeiten, mehr Zeit im Termin und eine insgesamt effizientere Betreuung. Dieses Modellprojekt unterstreicht das enorme Potenzial innovativer Versorgungsansätze.
Medizinisches Zentrum Lübbenau (MZL), Brandenburg
Das im Jahr 1991 gegründete Medizinische Zentrum Lübbenau leistet durch die Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen unter einem Dach einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung im Spreewald. Neben einer großen hausärztlichen Praxis werden im Zentrum grundversorgende Fachrichtungen wie unter anderem Gynäkologie, Kinderund Jugendmedizin, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder Orthopädie abgebildet. Zusätzlich vervollständigen weitere Leistungserbringende wie eine Apotheke oder ein Akustiker das medizinische Angebot vor Ort. Seit Oktober 2024 wird im Rahmen des Ersatzkassenprojekts neben einem Beratungsangebot für Patient:innen (Care und Case Management) auch der Einsatz eines Physician Assistant (PA) für die Durchführung von Untersuchungen der technischen Funktionsdiagnostik gefördert. Mit dem Telemedizin-Rucksack im Gepäck führen zudem speziell geschulte Nichtärztliche Praxisassistent:innen (NäPA) Haus- und Pflegeheimbesuche durch. Die ersten Projektergebnisse zeigen das große Potenzial erweiterter Delegationskonzepte. Der nächste entscheidende Schritt ist nun, diese Ansätze zeitnah in die Regelversorgung zu überführen, um die Vorteile in der Fläche nutzbar zu machen.
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In Lübbenau setzen wir gezielt auf neue Gesundheitsberufe, die den Versorgungsalltag spürbar entlasten und die Patientensicherheit verbessern. Die Care und Case Managerin steht Patientinnen und Patienten mit komplexen Bedarfen als zentrale Ansprechperson zur Seite. Drei Nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPA) bringen mithilfe des Telemedizin- Rucksacks moderne Diagnostik direkt in die Wohnung oder ins Pflegeheim, Untersuchungsergebnisse werden digital in die Praxis übertragen. So sind unsere NäPA als verlängerter Arm der Ärztin/des Arztes eine echte Entlastung. Unser Physician Assistant führt Untersuchungen wie EKGs, Spirometrien, LZ-Blutdruck- und ABIMessungen durch – ein klarer Zugewinn an Versorgungsqualität für unsere Hausarztpraxen. Diese innovativen Berufsgruppen zeigen, wie moderne Versorgung in der Fläche gelingen kann – patientenzentriert, effizient und zukunftsgerichtet.
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