Umgang mit Gesundheitsinformation

Gesundheit fördern, Belastungen verstehen

Wie Pflegende ihre Situation erleben, welche Faktoren ihre Gesundheit beeinflussen und welche Unterstützung sie tatsächlich erreicht, wurde bislang nur unzureichend untersucht. Hier setzt ein gemeinsames Projekt des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) und der Technischen Universität München (TUM) an und nimmt den Gesundheitsstatus, die Belastungen und Ressourcen pflegender An- und Zugehöriger in den Blick.

Illustration: Entlastung pflegender Angehöriger

In Deutschland leben derzeit rund fünf Millionen pflegebedürftige Menschen, Tendenz steigend. Prognosen zufolge wird ihre Zahl bis 2055 auf etwa 6,8 Millionen anwachsen. Schon heute wird der größte Teil – über 80 Prozent – zu Hause versorgt, meist durch Angehörige oder nahestehende Personen. Etwa 2,56 Millionen Pflegebedürftige werden ausschließlich von Anund Zugehörigen betreut, viele weitere erfahren eine Mischung aus familiärer und professioneller Unterstützung, etwa durch ambulante Dienste oder Tagespflege. Diese informell Pflegenden tragen eine zentrale Rolle in der Versorgung, übernehmen aber gleichzeitig anspruchsvolle Aufgaben, die körperlich, emotional und organisatorisch fordern.

Wie geht es pflegenden An- und Zugehörigen, die durch die Tagespflege unterstützt werden? In zwölf Bundesländern wurden in über 87 Tagesbetreuungseinrichtungen pflegende An- und Zugehörige befragt. Insgesamt nahmen 709 Personen an einer umfangreichen Fragebogenerhebung teil, und elf Pflegende führten über zwölf Tage hinweg ein Audiotagebuch, in dem sie über ihren Alltag berichteten.

Die Ergebnisse zeigen deutlich: Fast die Hälfte der Pflegenden fühlt sich stark belastet (49,5 Prozent), erlebt große Schwierigkeiten im Umgang mit der pflegebedürftigen Person (52,9 Prozent) und empfindet Einsamkeit (49,3 Prozent). Rund 80 Prozent weisen zudem eine unterdurchschnittliche körperliche und psychische Gesundheit auf. Gleichzeitig verfügen viele über wichtige Ressourcen wie Resilienz und hilfreiche Bewältigungsstrategien (jeweils etwa 80 Prozent). Die Tagebucheinträge verdeutlichen, dass der Alltag der Pflegenden stark von psychischen Belastungen geprägt ist. Besonders herausfordernd sind emotionale Belastungen (z. B. Trauer, Scham, Wut), Stress durch viele Aufgaben oder Konflikte mit anderen Lebensbereichen sowie schwierige Situationen im Pflegealltag, etwa bei der Körperpflege. Als zentrale Kraftquelle erweist sich dagegen die soziale Dimension: Freudvolle Momente mit der pflegebedürftigen Person – gemeinsames Lachen, kleine Aktivitäten, Zuneigung oder Dankbarkeit – wirken entlastend und geben Kraft.

Trotz des insgesamt hohen Belastungsniveaus zeigen die Analysen, dass es große Unterschiede innerhalb der Gruppe gibt. Fünf Untergruppen konnten anhand ihrer Belastungs- und Ressourcenprofile unterschieden werden: von Pflegenden mit vielen Ressourcen und geringer Belastung bis hin zu hoch belasteten Personen, die nur wenige Ressourcen haben. Besonders häufig zeigen sich bestimmte Risikofaktoren: Wer den eigenen Ehepartner oder einen Menschen mit Demenz pflegt, ist stärker gefährdet, Einsamkeit zu erleben, psychisch belastet zu sein oder sich insgesamt überfordert zu fühlen. Auch eine lange Pflegedauer und ein hoher Pflegeaufwand gehen mit schlechterer Gesundheit, höherer Belastung und geringerer Vereinbarkeit von Pflege und Familie einher. Frauen, Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status, Pflegende, die mit der betreuten Person im selben Haushalt leben, sowie Personen, die einen Mann pflegen, sind besonders gefährdet.

Doch es gibt auch Schutzfaktoren: Unterstützung durch Familie oder Freund:innen senkt das Risiko für Einsamkeit und stärkt Resilienz sowie Bewältigungsstrategien. Auch zusätzliche professionelle Pflegeangebote wirken sich positiv auf die Resilienz der Pflegenden aus. Gleichzeitig fühlen sich viele rat- und hilflos, wenn es um Unterstützungsmöglichkeiten geht. Das zeigen Aussagen wie: „Unterstützung? Weiß ich nicht. Gibt es nicht.“ Ein Grund dafür liegt in der oft geringen Gesundheitskompetenz: Über 65 Prozent der Befragten haben Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen oder richtig einzuschätzen.

Die Ergebnisse unterstützen in weiterer Folge die Entwicklung passgenauer Angebote zur Förderung der Gesundheit pflegender An- und Zugehöriger. Diese sollen individuell auf die jeweilige Pflegesituation abgestimmt sein, Pflegende gezielt entlasten und Beziehungen sowie soziale Netzwerke stärken.

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