Die Krankenhausreform soll durch ein Anpassungsgesetz um handwerkliche Fehler korrigiert werden. Letztendlich haben sich die Länder jedoch damit durchsetzen können, die Reform durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und ein Aufweichen der Qualitäts- und Strukturanforderungen zu entfremden. Sie stehen für eine Besitzstandswahrung und Strukturkonservierung der Krankenhauslandschaft. Der Schutz der Krankenhausstandorte wird über das Patientenwohl gestellt.
Vor etwa dreieinhalb Jahren stellte der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vor, in der aus der gemeinsamen Selbstverwaltung niemand vertreten war. Die dritte Empfehlung und die Stellungnahme zur grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung stellen das Herzstück der Arbeit der Kommission dar und wurden am Nikolaustag 2022 vorgelegt. Bis dahin waren die für die spätere Umsetzung der Reform maßgeblichen Bundesländer noch nicht eingebunden. Insgesamt erarbeitete die Kommission 14 Empfehlungen und Stellungnahmen als Grundlage für das Ende 2024 verabschiedete Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Die inhaltliche Ausgestaltung der Reform war damit noch nicht abgeschlossen, da wesentliche Bereiche in zustimmungspflichtige Rechtsverordnungen verlagert wurden, deren Fristen größtenteils abgelaufen sind oder verschoben wurden. Zudem lagen die beiden letzten Empfehlungen und Stellungnahmen nach Verabschiedung des KHVVG vor. Nach dem Wechsel der Bundesregierung sollten die offensichtlichen Fehlstellungen der Reform korrigiert werden – insbesondere mit einem Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG). Ein entsprechender Kabinettsentwurf von Anfang Oktober dieses Jahres zeigt: Die Ziele dieser Reform führen zu einer eierlegenden Wollmilchsau. Schlagworte wie Entökonomisierung, Entbürokratisierung, Ambulantisierung und Qualitätsverbesserung seien nur stellvertretend für eine Litanei staatstragender Ziele genannt.
Notwendigkeit einer Reform
Der demografische Wandel führt nicht nur zu einem Fachkräftemangel, sondern zeitversetzt auch zu einer Finanzierungslücke und einem Nachfrageschub (Abb.).
Jeder der drei genannten Problembereiche allein rechtfertigt eine Reform, was die Komplexität der Herausforderungen kennzeichnet. Die finanziellen und personellen Ressourcen müssen zwangsläufig effizient eingesetzt werden, um den Problemen der Zukunft begegnen zu können. Der Krankenhausplanung kommt damit eine andere Bedeutung zu als in der Vergangenheit. Mit Leistungsgruppen wird den Ländern ein Instrument an die Hand gegeben, ihre Planung künftig neu auszurichten. Allerdings dienen die Leistungsgruppen nicht nur der Planung, sondern werden auch mit einer neu vorgesehenen Vorhaltevergütung der Krankenhäuser kombiniert. Damit soll der Prozess von Konzentration, Spezialisierung und Zentralisierung im Sinne einer Zentrenbildung über eine neu definierte Krankenhausplanung mit dem Ziel einer besseren Behandlungs- beziehungsweise Versorgungsqualität beschleunigt werden. Diese angestrebte leistungsbezogene Planung ist ein Novum für die planungsbefugten Bundesländer. Seit der DRG-Einführung vor etwa 20 Jahren führte das damit verbundene Preissystem dazu, dass die Krankenhausträger ihre Leistungsportfolios beziehungsweise ihre Standortplanung den Möglichkeiten des Marktes anpassten. Die Länder dokumentierten diese Entwicklungen in ihren Krankenhausplänen ex post. Eine aktive, zukunftsbezogene Planung fand nicht statt. Dies allein auch deshalb, weil den Krankenhausplänen keine Investitionsprogramme mit den notwendigen auskömmlichen Investitionsfördermitteln folgten. Das KHVVG stellt die Länder nun vor die Aufgabe, ihr bisheriges passives, rückgewandtes Tun in ein aktives, vorausschauendes Handeln umzukehren. Dies ist aber nicht der einzige Grund, weshalb die Länder bislang wenig Begeisterung für die Reform aufbrachten. Der Reformprozess führt theoretisch dazu, dass Krankenhausstandorte schließen müssen oder Kliniken Teile ihres Leistungsspektrums in Form von Leistungsgruppen verlieren. Diese schmerzhaften, aber notwendigen Schritte stoßen kaum auf Enthusiasmus in der Bevölkerung, die erforderliche Aufklärung ist zeit- und arbeitsaufwendig.
Dies erklärt die ablehnende Haltung der Länder gegenüber der Krankenhausreform. Sowohl die Bundesregierung als auch zuvor die Regierungskommission haben die Rechnung ohne den Wirt, sprich, ohne die Länder, gemacht. Letztendlich muss die Reform von Bundesregierung, Ländern, Krankenhäusern und Krankenkassen gemeinsam getragen werden. Wie das gelingt, zeigt der Ansatz der neuen Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen, der als Blaupause dieser Reform dienen kann. Das Land als Initiator holte alle Beteiligten, also die Selbstverwaltungspartner im Land, sofort ins Boot. Dies machte es einfacher, gemeinsam der Bevölkerung die strukturellen Veränderungen zu erklären. Hier ist ein wesentlicher Unterschied zum Vorgehen der Bundesregierung zu erkennen, der über den Erfolg oder Misserfolg einer Reform entscheiden kann.
Aufweichungen und Ausnahmen
Trotz der vergleichsweise langen Vorlaufzeit schlichen sich handwerkliche Fehler in das KHVVG ein. Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will diese mit dem KHAG ausbessern. Das Problem ist, dass die Länder in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Reform verharren und auf zahlreiche Aufweichungen und Ausnahmeregelungen bestehen, um letztendlich ihre Planung so weiterlaufen zu lassen wie in der Vergangenheit. Dies hat wenig mit der originären Zielsetzung der Reform zu tun, denn damit bleibt die angestrebte Strukturreform gänzlich auf der Strecke. So können Krankenhäuser, die die Qualitäts- und Strukturanforderungen nicht erfüllen, über Kooperationsvereinbarungen mit anderen Krankenhäusern oder niedergelassenen Ärzten die Anforderungen umgehen. Eine formlose schriftliche Vereinbarung ist ausreichend. Es fehlen die Voraussetzungen, die Umsetzung derartiger Vereinbarungen überprüfen zu können.
Ferner ist es möglich, dass die Mindestvorhaltezahlen – ein sehr wichtiges Instrument für den Konzentrationsprozess – von den Ländern allein verändert werden. Bei der Anrechnung von Ärzten kann ein Arzt gleich auf mehrere Leistungsgruppen angerechnet werden; bildlich gesehen entspricht dies einem Klonen von Ärzten. Die veränderten Anrechnungsschlüssel beheben nicht den Fachkräftemangel, sie schützen die Krankenhäuser und gefährden die Patienten. Zudem bleibt der Konzentrationsprozess aus. Die Streichung der Erreichbarkeitsvorgaben für die einzelnen Leistungsgruppen öffnet den Ländern Tür und Tor dafür, die Bedarfsnotwendigkeit individuell zu definieren. Ebenso obliegt die Definition von Fachkliniken den Ländern und Diese haben nun alle Möglichkeiten, die Definition von Fachkliniken als Ausnahmeregelung zu missbrauchen. Alle potenziellen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen werden vermutlich zu Fachkliniken deklariert. Dazu kommt, dass die Qualitäts- und Strukturanforderungen mit dem Kabinettsentwurf vorbei am Leistungsgruppenausschuss aufgeweicht wurden. Dieses wichtige Gremium wurde ad absurdum geführt.
Und nicht zuletzt bleibt eine Finanzreform aus, die den Strukturprozess unterstützt. Stattdessen wird zusätzliches Geld an alle Krankenhäuser mit der Gießkanne verteilt und somit werden die Fehlanreize verstärkt.
Transformationsfonds benötigt Zielbild
Die gesetzlichen Regelungen zum Transformationsfonds wurden mehr oder weniger von den ersten und zweiten Strukturfonds übernommen. Dennoch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Struktur laut Wikipedia den inneren Aufbau eines Systems, also die Art und Weise, wie die Systemkomponenten miteinander verbunden sind, bezeichnet. Transformation ist hingegen ein Prozess der wesentlichen Zustandsänderung von einem aktuellen Ist-Zustand hin zu einem angestrebten Ziel. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass beim Strukturfonds der Fokus von unten kommend auf der Umsetzung von Einzelmaßnahmen lag. Beim Transformationsfonds hingegen muss man von einer höheren Ebene kommen und von oben schauend ein Zielbild vor Augen haben, das man auf die Einzelmaßnahmen herunterbricht. Insofern ist mit den Ländern zu erörtern, welches Zielbild diese überhaupt von der Transformation der Krankenhauslandschaft haben. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zwingend notwendig, dass Anträge zum Transformationsfonds nicht an die Fristenregelungen der Leistungsgruppenplanung gebunden sind. Eine frühzeitige Bewilligung von Anträgen kann Präjudize für den Transformationsprozess der neuen Krankenhausplanung schaffen. Es ist zu befürchten, dass in vielen Ländern das Zielbild im Erhalt der derzeitigen Krankenhausstrukturen liegt – was jedoch dem Sinn und Zweck einer Transformation widerspricht. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten im Land ein gemeinsames Zielbild definieren.
Aufgrund des demografischen Wandels besteht insbesondere beim ärztlichen und pflegerischen Personal ein Fachkräftemangel, zugleich nimmt aufgrund der Überalterung der Gesellschaft der Bedarf an stationärer Versorgung zu. Der Transformationsprozess muss einerseits vom verfügbaren Fachpersonal und andererseits vom bevölkerungsbezogenen Bedarf ausgehen. Pflegepersonalquotient und Pflegepersonaluntergrenzen geben wichtige Hinweise über das tatsächlich verfügbare Pflegepersonal und sollten zum Ausgangspunkt des Transformationsprozesses werden. Ferner ist den regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Dies bedeutet, dass in den Ballungsgebieten Doppelstrukturen und Überkapazitäten abgebaut und in den ländlichen oder strukturschwachen Gebieten eine Unterversorgung in der stationären Basisversorgung vermieden werden müssen. Während in diesen Regionen sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen versorgungsrelevant sein können, mögen sie in den Ballungsgebieten häufig überflüssig sein. Hier sollten entsprechende Krankenhäuser von der Krankenversorgung ausgeschlossen und nicht in sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen umgewidmet werden. Dem Kabinettsentwurf zufolge obliegt es den Ländern, die Definition von Fachkrankenhäusern vorzunehmen. Dabei sollte den Ländern klar gemacht werden, dass ein Fachkrankenhaus einerseits eine Spezialisierung des eigenen Leistungsportfolios und andererseits eine starke Konzentration in der Versorgungsregion auszeichnen. So sind nach Lesart des vdek die vielen Kliniken, die sich beispielsweise auf Knie- und Hüftgelenkprothetik spezialisiert haben, keine Fachkrankenhäuser.
Der Reform fehlt ein konsentiertes Zielbild, das von allen Beteiligten akzeptiert wird. Wenn die Länder ihre Verweigerungshaltung nicht aufgeben, droht die Umsetzung der Reform im Sand zu verlaufen. Hinzu kommt, dass weitere Kernbestandteile der Reform, etwa die Ambulantisierung über die Hybrid-DRG, die Vorhaltefinanzierung und die Personalvorgaben, nicht im Zusammenhang gedacht wurden. Die geplante Verschiebung des Zeitplans für die Vorhaltefinanzierung um ein Jahr zeigt eine weitere Unzugänglichkeit der Reform. Der lange Zeitplan der Reform droht von der Realität eingeholt zu werden. Das KHAG wird vermutlich nicht die letzte Korrektur des Reformvorhabens sein; die Zukunft der Reform bleibt ungewiss.
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