DiGA, ePA und KI: Die Digitalisierung hat den Versorgungsalltag erreicht. Beim vdek-Zukunftsforum unter dem Titel „5 Jahre DiGA – ein Impuls für die digitale Versorgung?“ diskutierten Expertinnen und Experten darüber, wie digitale Lösungen die Versorgung verbessern können – und betonten die Wichtigkeit von Nutzen, Nutzbarkeit und digitaler Gesundheitskompetenz.
Fünf Jahre Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), eine verpflichtende Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) seit 1. Oktober 2025 und beständig neue Fortschrittsmeldungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), die mancherorts schon Einzug in die Versorgung gehalten hat: Digitalisierung ist im Gesundheitswesen kein bloßes Zukunftsthema mehr, sondern Gegenwart. Das wurde auch beim vdek-Zukunftsforum deutlich, bei dem das Jubiläum „5 Jahre DiGA“ zum Anlass genommen wurde, eine erste Bilanz zu ziehen. Der Tenor war eindeutig: Die reine Verfügbarkeit digitaler Tools reicht nicht aus, ihr Erfolg steht und fällt mit Nutzbarkeit, erlebtem Mehrwert für informierte Versicherte und einer sinnvollen Einbettung in Versorgungsabläufe – oder, wie vdek- Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner eingangs betonte: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, um die Versorgung einfacher, sicherer, schneller und patientenorientierter zu machen.“
DiGA in der Praxis
Nach fünf Jahren sind DiGA in der Versorgung angekommen, machte Dr. Madlen Scheibe deutlich, die am Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung der TU Dresden den Forschungsbereich „Digital Health“ leitet. Versicherte schätzten die „Apps auf Rezept“ nicht zuletzt als eine nebenwirkungsarme Therapieoption. „Gerade auch bei schambehafteten oder stigmatisierten Erkrankungen bieten DiGA einen niedrigschwelligen Zugang zur Therapie“, so Scheibe weiter. Ob sich die Verordnung einer DiGA anbiete, müsse jedoch immer fallabhängig anhand der Diagnose, der Symptome und mit Blick auf die individuelle – auch digitale – Gesundheitskompetenz beurteilt werden. Im Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass DiGA ihr wahres Potenzial nicht als Insellösung, sondern durch intelligente Integration in den Versorgungsweg entfalten: „Am Ende des Tages müssen wir zu einer Art hybrider Behandlung kommen, in der auch DiGA eine Rolle spielen“, so Björn-Ingemar Janssen, Referatsleiter Ärzte und Beauftragter für Digitale Versorgung beim vdek.
Ergänzung, nicht Ersatz
Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer, zeichnete für die Psychotherapie ein ähnliches Bild: DiGA könnten hier vor allem ergänzende Funktionen übernehmen, etwa bei der Überbrückung von Wartezeiten, der Nachsorge oder zur Unterstützung während einer laufenden Behandlung. Zugleich bleibe der persönliche Kontakt zentraler Bestandteil jeder Therapie. Ergänzung ja, Ersatz nein: In der Kommunikation zwischen Leistungserbringer:innen, für die Optimierung von Praxisabläufen oder durch die Option der Videotherapie habe die Digitalisierung offensichtliche Vorteile. „Dass wir Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten irgendwann durch eine KI ersetzt werden, sehe ich jedoch nicht“, machte Benecke klar.
In den Praxen des Start-Ups Avi Medical ist KI bereits im Einsatz: Gründer und CCO Julian Kley berichtete von Tests für einen KI-Assistenten, der das Arzt/Patient-Gespräch mithört und Diagnosevorschläge macht. Die Chancen seien enorm: „Wenn die KI weiß, wie der Cholesterinwert vor ein paar Monaten war, wenn sie Zugriff auf den neuesten Befund, aber auch auf alle Vorbefunde und die Familienanamnese hat, werden die Vorschläge intelligenter.“ Worauf Kleys Ausblick hindeutet, ist eine Kombination von KI und ePA.
ePA zwischen Reglement und Nutzbarkeit
Die Befüllung der ePA mit Gesundheits- und Krankheitsdaten ist seit 1. Oktober 2025 für Leistungserbringer: innen verpflichtend – ein wichtiger Schub für das Tool, welches für Sebastian Zilch, Unterabteilungsleiter Digitale Versorgung, gematik beim Bundesministerium für Gesundheit, den Akzent der aktuellen Digitalstrategie der Bundesregierung verdeutlicht: Anders als in den Anfangstagen der Telematikinfrastruktur (TI) – Stichwort Versichertenstammdaten-Management – handele es sich um eine digitale Anwendung mit direkt sichtbarem Mehrwert für die medizinische Behandlung. Eine Herausforderung sei der Spagat zwischen Datenschutz und -sicherheit auf der einen, Nutzbarkeit auf der anderen Seite: Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern habe Deutschland für Gesundheitsdaten das höchste Schutzniveau. Dadurch entstünden unweigerlich Nutzungsfragen, etwa „Wie einfach kann ich ein E-Rezept einlösen?“ oder eben: „Wie leicht komme ich an meine elektronische Patientenakte?“
Auch an anderer Stelle wurde eine Spannung zwischen Reglement und Nutzbarkeit deutlich. Scheibe berichtete vom Wunsch vieler Patient:innen mit psychischer Erkrankung, das Einsehen ihrer Daten noch nuancierter freigeben und einschränken zu können. „Ich glaube“, so Zilch, „dass eine solche Komplexität extrem viel von den Menschen verlangt, die die ePA nutzen“, und verwies auf bereits bestehende Möglichkeiten, Leserechte in der ePA einzuschränken.
Digitale Gesundheitskompetenz gefragt
Klar wurde: Digitale Anwendungen bringen auch erhöhten Aufklärungs- und Informationsbedarf mit sich. Scheibe gab zu bedenken, dass DiGA zwar ein sehr hohes Evidenz- und Sicherheitslevel aufweisen, viele Versicherte aber auch Anwendungen aus dem privat zugänglichen Gesundheitsmarkt nutzen, die dieses Niveau unterschreiten. Patient:innen müssten daher in die Lage versetzt werden, hochwertige digitale Gesundheitsangebote zu erkennen. Janssen verwies in diesem Zusammenhang auf das Ersatzkassenprojekt gesund-digital.info und betonte, dass Krankenkassen eine verstärkt moderierende Rolle übernehmen werden, um Versicherte in einem zunehmend digitalisierten Versorgungssystem zu unterstützen – partnerschaftlich mit, nicht in Konkurrenz zu Leistungserbringer:innen.
Das vdek-Zukunftsforum zeigte, dass die digitale Transformation im Gesundheitswesen weit vorangeschritten ist, aber noch Arbeit erfordert, um ihren Nutzen flächendeckend zu entfalten. Die Instrumente sind vorhanden. Jetzt gilt es, sie intelligent zu verknüpfen und nutzerfreundlich zu gestalten.
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