Der GKV-Schätzerkreis hat am 15. Oktober 2025 einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent für 2026 prognostiziert. Darauf basierend sprach das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) von Beitragssatzstabilität, was jedoch der Realität nicht entspricht. Ohne Sofortmaßnahmen werden die kassenindividuellen Zusatzbeiträge Anfang 2026 steigen und der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz wird die 3-Prozent-Grenze deutlich reißen.
Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist seit Jahren höchst angespannt und eine Entspannung nicht in Sicht. Auch das Jahr 2026 wird von einer dynamischen Ausgabensteigerung geprägt sein. So prognostiziert der sich aus Vertreterinnen und Vertretern von BMG, Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) sowie GKV-Spitzenverband zusammensetzende GKV-Schätzerkreis eine Ausgabenentwicklung von 6,5 Prozent (BMG/BAS-Schätzung) bzw. 6,6 Prozent (GKV-Schätzung) für 2026, während die Einnahmen nur um 4,4 Prozent zunehmen. Danach beträgt die geschätzte Finanzierungslücke 57 Milliarden Euro, was einem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent entspricht. Aktuell beträgt der erhobene durchschnittliche Zusatzbeitrag bereits 2,94 Prozent. Die darauf basierende Aussage des BMG von „Beitragssatzstabilität“ suggerierte, dass die Zusatzbeiträge Anfang 2026 nicht steigen werden. Dies entspricht nicht der Realität.
So nimmt der GKV-Schätzerkreis für 2025 einen durchschnittlichen kostendeckenden Zusatzbeitrag von 2,7 Prozent an. Trotz der Darlehen von jeweils 2,3 Milliarden Euro für 2025 und 2026 und des vom GKV-Schätzerkreis berücksichtigten „kleinen Sparpakets“ mit einem geschätztem Einsparvolumen von 1,5 bis 2,0 Milliarden Euro bleibt damit der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2026 nicht konstant, sondern steigt um 0,2 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent. Darüber hinaus werden im GKV-Schätzerkreis von Gesetzes wegen die Finanzreserven der Krankenkassen nicht berücksichtigt. Diese liegen aber weiterhin unter dem gesetzlichen Mindestniveau, weswegen ein großer Teil der Krankenkassen gezwungen sein wird, auch 2026 einen Teil ihres Zusatzbeitrags für das Auffüllen der Mindestreserve zu verwenden. Deswegen und aufgrund der dynamischen Ausgabenentwicklung werden viele Krankenkassen Anfang 2026 ihre Zusatzbeitragssätze erneut erhöhen müssen. Folglich wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag nicht stabil bleiben, sondern die 3-Prozent-Grenze deutlich überschreiten.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Bundesrat am 21. November 2025 das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege und damit das dazugehörige „kleine Sparpaket“ in den Vermittlungsausschuss geschickt hat. Wenn bis zum 19. Dezember 2025 kein tragfähiger Kompromiss gefunden wird, würde der durchschnittliche Zusatzbeitrag allein durch die fehlende Umsetzung des Sparpakets um weitere 0,1 Beitragssatzpunkte in 2026 steigen.
Es werden dringend Sofortmaßnahmen benötigt, damit der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2026 stabil bleibt. Statt eines „kleinen Sparpakets“ müsste ein „großes Sparpaket“ auf den Weg gebracht werden. Dies würde die Beibehaltung des „kleinen Sparpakets“ und weitere Maßnahmen wie die Erhöhung des Herstellerabschlags für patentgeschützte Arzneimittel, die Dynamisierung des Bundeszuschusses und Einsparungen in weiteren kostenintensiven Leistungsbereichen umfassen. Angesichts der angespannten Finanzlage der GKV und einer andauernden dynamischen Ausgabenentwicklung muss schnellstens eine Finanzreform für eine stabile und langfristige Finanzierung umgesetzt werden. Dafür benötigen wir eine Rückkehr zu einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik und echte Strukturreformen. Auf der Einnahmenseite sollte die Politik endlich eine Finanzierung aller versicherungsfremder Leistungen, vor allem eine vollständige Refinanzierung der Kosten für die Gesundheitsversorgung Bürgergeldbeziehender, durch Steuermittel umsetzen.
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