Apothekenversorgung

Mehr Flexibilität und Verantwortung

Die Bundesregierung hat Mitte Oktober 2025 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung (ApoVWG) vorgelegt. Damit will sie die Vor-Ort-Apotheken stärken. Auch aus Sicht des vdek ist eine Reform überfällig.

Seit Jahren fordert die Apothekerschaft vehement, dass ihre Vergütung erhöht wird. Als Beleg für die Berechtigung ihrer Forderung führt sie an, dass die absolute Apothekenzahl in Deutschland kontinuierlich sinke. Vor-Ort-Apotheken wirtschaftlich zu betreiben, werde immer schwieriger. Die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gerate damit in Gefahr. Mit der geplanten Apothekenreform nimmt sich die Bundesregierung der Herausforderung an. Bemerkenswert dabei ist, dass sich eine Reihe von Maßnahmen in dem Gesetzespaket befindet, die so oder ähnlich bereits vom vormaligen SPD-Bundesgesundheitsminister geplant waren, aber nicht mehr umgesetzt wurden.

Mit dem Entwurf ist ein klares Bekenntnis zur Vor-Ort-Apotheke verbunden: Es soll weiterhin ein flächendeckendes wohnortnahes Angebot an Apotheken geben. Das ist die gute Nachricht für die Apothekerschaft, die schlechte ist, dass das Honorar in Form des sogenannten Packungsfixums– zumindest vorerst – nicht steigt. Derzeit erhalten Apotheken für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis und einen fixen Betrag von 8,35 Euro gemäß Arzneimittelpreisverordnung. Statt einer pauschalen Erhöhung ist geplant, dass zukünftig der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband über das Honorar verhandeln. Dabei soll die Vergütung differenziert ausfallen, um Apotheken in weniger lukrativen Gegenden zu begünstigen. Welche der bestehenden rund 17.000 Apotheken für die Versorgung tatsächlich unverzichtbar sind, wurde allerdings noch nie untersucht. Eine Bedarfsplanung, wie man sie im ärztlichen Bereich kennt, gibt es für Apotheken nicht. Fakt ist, dass die wirtschaftliche Situation der Apotheken von sehr vielen Faktoren abhängt und sich stark unterscheidet.

Das Ergebnis der Verhandlungen wird den verantwortlichen Ministerien als Empfehlung für zukünftige Anpassungen der Arzneimittelpreisverordnung übergeben. Die Beteiligten sollen sich dabei einerseits an der Entwicklung des Verbraucherpreisindex und andererseits am Grundsatz der Beitragssatzstabilität orientieren. Die Selbstverwaltung hat also keine leichte Aufgabe, ein angemessenes Honorar für die Abgabe der etwa 800 Millionen Packungen RX-Arzneimittel jährlich zu verhandeln, das den Zielen gerecht wird.

Neben den Vergütungsregeln enthält der Entwurf zahlreiche Änderungen, die den Betrieb einer Apotheke erleichtern können und zum Teil vom starren Regelungsgeflecht für den Betrieb einer Apotheke entlasten. So soll es zukünftig mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten, bei den räumlichen Anforderungen und beim Personaleinsatz geben. Erstmals ist vorgesehen, dass pharmazeutisch- technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) für einen begrenzten Zeitraum Apothekerinnen und Apotheker vertreten können. Zudem wird das Aufgabenspektrum einer Apotheke durch einige Leistungen erweitert: Zukünftig sollen Apotheken weitere pharmazeutische Dienstleistungen anbieten können, die zum Teil dem Bereich der Prävention und Früherkennung zuzuordnen sind. Auch weitere Impfungen gehören dann zum Aufgabenspektrum. Eine Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne ärztliche Verordnung wird in bestimmten Situationen erlaubt sein. Insgesamt plant die Bundesregierung also eine Stärkung der Apotheken, indem sie ihnen mehr Verantwortung übergibt und ihre Rolle in der Versorgung erweitert.

Trotzdem hagelt es Proteste aus den Reihen der Apothekerschaft: Es ist von Wortbruch die Rede, da der Koalitionsvertrag eine Anhebung des Packungsfixums auf mindestens 9,50 Euro vorsah, die nun nicht umgesetzt wird. Auch wenn sich viele Vorschläge der Apothekerschaft für ihre neue Rolle im Entwurf befinden, fehle doch die entscheidende wirtschaftliche Stärkung. Auch die Vertretungsbefugnis durch PTA lehnt die Standesvertretung ab und befürchtet eine Verschlechterung der Versorgung, wenn die Apotheke zeitweise ohne die Aufsicht durch Apothekerinnen oder Apotheker betrieben wird.

Die Ärzteschaft steht den Vorschlägen ebenfalls kritisch gegenüber: Durch die erweiterten Kompetenzen verschiebe sich die Grenze zwischen ärztlichen und apothekerlichen Tätigkeiten. Dies werfe haftungsrechtliche Fragen sowie verfassungsrechtliche Bedenken auf.

Aus Krankenkassensicht wird das Reformvorhaben überwiegend positiv bewertet, auch wenn zu befürchten ist, dass die erweiterten Kompetenzen zu Mehrausgaben führen werden. Von echten Strukturreformen waren die Apotheken bisher ausgenommen, obwohl die Rahmenbedingungen durchaus Potenzial für Bürokratieabbau und Modernisierung haben. Vorschläge für mehr Flexibilität und für das Prinzip einer arbeitsteiligen Verantwortung liegen schon lange auf dem Tisch und müssen dringend angegangen werden, wenn man ein zukunftsfestes Apothekensystem gestalten will, bei dem die knappen Ressourcen richtig verteilt werden.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. (6. Ausgabe 2025)