Pharmazeutische Dienstleistungen (pDL)

Selektivvertragliche Regelungen statt Fonds-Anhäufung

Seit Inkrafttreten des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) stellen pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) ein neues Leistungsangebot für Versicherte dar. Jedoch zeigt sich, dass die Inanspruchnahme hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Apotheke

Seit Inkrafttreten des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) stellen pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) ein neues Leistungsangebot für Versicherte dar. Jedoch zeigt sich, dass die Inanspruchnahme hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Pharmazeutische Dienstleistungen ermöglichen den Versicherten, die besondere Unterstützung bei der Arzneimitteltherapie brauchen, zusätzliche Angebote durch pharmazeutisches Fachpersonal in Anspruch zu nehmen, welche über die normale Information und Beratung durch Apotheken hinausgehen. Um die heilberufliche Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker stärker zu nutzen, hat der Gesetzgeber im Rahmen des VOASG die Einführung der pDL geplant. Diese sollten mit rund 150 Millionen Euro pro Jahr vergütet werden.

Aktuell umfasst das Angebot fünf verschiedene Dienstleistungen, die je nach Aufwand unterschiedlich vergütet werden. Drei dieser pDL basieren auf Medikationsanalysen und dürfen nur von Apothekerinnen und Apothekern mit entsprechender Zusatzqualifikation durchgeführt werden:

  • erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation
  • pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten mit Follow-up (Folgegespräch)
  • pharmazeutische Betreuung bei oraler Tumortherapie mit Follow-up
  • Zwei pDL umfassen praktische Übungen oder Anwendungen und dürfen von dem gesamten pharmazeutischen Personal durchgeführt werden:
  • Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik
  • standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck

Die Finanzierung der pDL erfolgt über einen Aufschlag von 20 Cent pro abgegebene Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Dieses Geld fließt in einen Fonds, der vom Deutschen Apothekerverband (DAV) verwaltet wird. Seit Juni 2022 dürfen die Apotheken pDL erbringen und über diesen Fonds abrechnen. Für Apotheken bedeuten die pDL einen wichtigen berufspolitischen Meilenstein. Denn erstmals können sie selbst Leistungen für ihre Patientinnen und Patienten auslösen und gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechnen, die in keiner Abhängigkeit von ärztlichen Verordnungen stehen. Die Entwicklung zeigt jedoch, dass trotz steigender Abrechnungszahlen bei den pDL und zunehmender Apothekenbeteiligung die tatsächlich von den Apotheken erbrachten Leistungen weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleiben. Nach zwei Jahren beteiligen sich lediglich vier von zehn Apotheken an dem Angebot. Ob die neuen Leistungen zu wenig nachgefragt oder zu wenig angeboten werden, bleibt offen.

Fakt ist, dass das Angebot nur sehr wenig genutzt wird und die Diskrepanz zwischen Planung und Realität immer offensichtlicher wird. Denn jedes Quartal fließen etwa 39 Millionen Euro als Einnahmen in den Fonds. Somit stehen jährlich sogar mehr als die ursprünglich geplanten 150 Millionen Euro zur Verfügung. Die Abrechnung der pDL ist allerdings nicht im gleichen Maße gestiegen (Abb. 1). Im ersten Quartal 2024 erbrachten die Apotheken lediglich Leistungen im Wert von 4,7 Millionen Euro und im zweiten Quartal 2024 im Wert von 6,2 Millionen Euro. Da nicht ausgeschöpfte Beträge im Fonds verbleiben, haben sich mittlerweile 375 Millionen Euro angesammelt. Im zweiten Quartal 2024 zeigt sich das Missverhältnis besonders deutlich. Von den insgesamt 381 Millionen Euro, die im Fonds zur Verfügung stehen, wurden nur 6,2 Millionen Euro für pDL abgerufen. Das entspricht einem Anteil von lediglich zwei Prozent (Abb. 2).

Angesichts dieses großen Ungleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben sollte daher der Aufschlag zur Befüllung des Fonds sofort ausgesetzt werden. Es muss ein anderer Weg eingeschlagen werden, um nicht noch mehr Geld in dem Fonds anzuhäufen und in dieser Größenordnung dort zu parken, anstatt dieses für die Versorgung der Patientinnen und Patienten einzusetzen. Um den spezifischen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten gerecht zu werden, sollte man von einem einheitlichen „one fits all“-Ansatz wegkommen. Um eine passgenaue Versorgung zu gewährleisten, sollte das System daher auf selektivvertragliche Regelungen umgestellt werden. Diese würden es erlauben, Leistungsinhalte gezielt zu definieren sowie bessere Versorgungskonzepte zu entwickeln, die auf die unterschiedlichen Anforderungen der Versicherten eingehen. Zudem würde die Abrechnung der pDL direkt zwischen Apotheke und Krankenkasse erfolgen.

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